Effektives CBAM-Kostenmanagement (Teil 2): Kostenaufschläge, Beschaffungsstrategien und Absicherung

In unserem ersten Beitrag dieser Serie haben wir den Bedarf an jährlich einzureichenden CBAM-Zertifikaten und die damit verbundenen expliziten CBAM-Kosten auf Basis einer konkreten Fallstudie hergeleitet. Für ein effektives Management der strategischen und finanziellen Auswirkungen von CBAM, werden in diesem Beitrag CBAM-Kostenaufschläge auf Produktebene und Strategien zur Beschaffung von CBAM-Zertifikaten und Möglichkeiten der Absicherung vorgestellt.

CBAM-Kostenaufschläge und vertragliche Anpassungen

Unser fiktiver Importeur von 100.000 Tonnen Stahlbarren hat über eine Abschätzung des Bedarfs and CBAM-Zertifikaten und den damit verbundenen Kosten eine erste Indikation die notwendige Liquidität für Importe im Jahr 2026. Um diese zusätzlichen Kosten von etwa 10 Millionen EUR auf Unternehmensebene operativ zu steuern und in Lieferanten- oder Kundenverträge zu integrieren, besteht die Notwendigkeit diese zusätzlichen CBAM-Kosten pro Lieferant oder pro Warengruppe und Importvorgang zu bestimmen. Dies erlaubt es neben den Gesamtkosten auch die CBAM-Kosten pro Produkt oder den Einfluss auf Bruttomargen pro Produkt zu berücksichtigen.

Die zusätzlichen CBAM-Kosten sollten dabei in die Risikoanalyse einbezogen werden. Besonders relevant ist hierbei, ob echte Emissionswerte vorliegen oder ob ein zugelassener CBAM-Anmelder Standardwerte in den CBAM-Erklärungen verwenden muss. Letztere werden mit einem pönalisierendem Mark-up versehen, was höhere CBAM-Kosten bedeutet.

Aus unseren Analysen wird ersichtlich, dass die Kostenunterschiede zwischen den beiden Möglichkeiten oft immens sind. So fallen bei Nutzung von Echtwerten bei einigen unserer Kunden in den ersten Jahren der CBAM-Regelphase keine CBAM-Kosten an. Würde der Importeur dieselben CBAM-Waren einführen und für die Berichterstattung jedoch Standardwerte nutzen (müssen), so könnten Preissteigerungen von über 40 % schon ab 2026 auftreten (vergleiche Beispiele in Abbildung 1).

Abbildung 1: Zusätzliche CBAM-Kosten auf Warenebene in Abhängigkeit von Echt- oder Standardwerten für Emissionen (Quelle: CBAMCC Model von carboneer)

CBAM erfordert in vielen Fällen eine Änderung von Liefer- oder Verkaufsverträgen. Eine Risiko- und Kostenanalyse wie oben dargestellt, sollte hierbei berücksichtigt werden, etwa durch:

  • die Forderung garantierter und verifizierter Emissionswerte von Lieferanten,
  • die Festlegung von Preisnachlässen bei fehlenden Daten,
  • die Anpassungen von Kauf- oder Verkaufspreisen der Waren in Abhängigkeit von den CBAM-Emissionen.

Hinzu kommt, dass CBAM-Zertifikate für die Importe im Jahr 2026 erst ab Februar 2027 ausgegeben werden. Dies bedeutet, dass Kosten, die erst im Jahr 2027 anfallen, schon für Verträge und Budgetplanung im Jahr 2026 werden berücksichtigt werden müssen. Ohne die explizite Einbeziehung der zusätzlichen CBAM-Kosten schon heute, müssten betroffene Unternehmen, die erst im Jahr 2027 aufgrund des Kaufs der CBAM-Zertifikate anfallenden Kosten allein tragen.

Kostenmanagement durch Beschaffungsstrategien für CBAM-Zertifikate

Die begrenzte Gültigkeit und die unterjährige 50 %-Halteverpflichtung (finale Entscheidung dazu noch ausstehend) von CBAM-Zertifikaten erfordert ein fortlaufendes CBAM-Zertifikatsmanagement. Verpflichtete Unternehmen sollten daher eine Beschaffungsstrategie für CBAM-Zertifikate entwickeln, die insbesondere folgende auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Randbedingungen abdeckt:

  • Liquiditätsbeschränkungen und Risikoprofil
  • Potenzial der Kostenweiterreichung in der Lieferkette
  • Planungs- und Einkaufsprozesse und Zeiträume
  • Preisvolatilität im EU ETS

Eine optimale Beschaffungsstrategie für CBAM-Zertifikate sollte dabei obenstehende Randbedingungen individuell berücksichtigen und muss gleichzeitig statistisch überlegen sein. Um beispielhaft Unterschiede von Beschaffungsstrategien zu verdeutlichen, vergleicht Abbildung 2 die Beschaffung von CBAM-Zertifikaten jeweils am Ende eines Quartals mit einer Strategie, welche technischer Analyse der Preise im EU Emissionshandelssystem (EU ETS) nutzt. Die fiktiven CBAM-Zertifikatspreise basieren hierbei auf den Auktionspreisen im EU ETS im Jahr 2022-2024.

Abbildung 2: Vergleich von zwei Beschaffungsstrategien von CBAM-Zertifikaten (regulierungsgetriebene Strategie in grün, SMART importbasierte Strategie in blau) basierend auf fiktiven CBAM-Zertifikatspreisen in den Jahren 2022-2024 (Quelle: carboneer CBAMCC Modell)

Je nach Zeitpunkt und Menge der CBAM-Zertifikatskäufe können dabei große Preisunterschiede auftreten, da die Preise im EU ETS Schwankungen unterliegen und somit direkten Einfluss auf die Preise für CBAM-Zertifikate haben. Mithilfe intelligenter Beschaffungsstrategien können jedoch Kostenvorteile erzielt werden. Insbesondere bei einer Betrachtung über mehrere Jahre hinweg war die SMART importbasierte Beschaffungsstrategie aus Abbildung 2 erfolgreich und ermöglicht für den Importeur in der Fallstudie Einsparungen in Millionenhöhe. Über einen Betrachtungszeitraum von 10 Jahren erlaubt die von carboneer entwickelte Strategie Kosteneinsparungen von beinahe 20% im Vergleich zu einer rein regulierungsgetriebenen Beschaffung. Eine aktive Beschaffung kann also die expliziten Kosten für CBAM-Zertifikate reduzieren, und damit das finanzielle Risiko reduzieren, die Liquidität schonen und einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen.

Absicherung von CBAM-Kosten über das EU ETS

Da gekaufte und nicht verwendete CBAM-Zertifikate am 1. Oktober des zweiten Jahres nach Kauf gelöscht werden (finale Entscheidung dazu noch ausstehend), können sie nicht für die Einreichungspflicht in weiterer Zukunft verwendet werden. Für Bestellungen, deren tatsächliches Importdatum weiter in der Zukunft liegt oder auch für längerfristige Kostensicherheit kann ein Importeur jedoch einen weiteren Schritt zur Risikominimierung gehen.

Da CBAM-Zertifikatspreise an die Preise der Emissionsberechtigungen (EUA) im EU ETS angelehnt sind, existiert mit dem EU ETS ein Markt welcher ein Absicherungsgeschäft, einen Hedge, ermöglicht. Ein Importeur kann also im Voraus die maximalen CBAM-Zertifikatskosten während einer Bestellung oder für zukünftig geplante Importe zumindest in guter Näherung absichern. Das gleiche Prinzip gilt auch für den Produzenten oder Lieferanten einer CBAM-Ware, da dieser dem Abnehmer in der EU durch ein Absicherungsgeschäft maximale CBAM-Kosten garantieren kann. Diese Preisfixierung macht damit Verhandlungen mit Lieferanten, die Kalkulation, Anpassung oder auch Weiterreichung der CBAM-Kosten an nachgelagerte Kunden sowie eine bessere Budgetierung der CBAM-Zertifikatskosten möglich. Die Absicherung kann über den Kauf von physischen EUAs oder Terminmarktprodukten auf EUAs verwendet werden.

Eine mittel- bis langfristige Absicherung von CBAM-Zertifikatskosten auf Basis von im Jahr 2025 erworbenen physischen EUAs oder Terminmarktkontrakten (derzeitige bei 70 EUR/tCO2) ermöglichte eine Preisfixierung am unteren Rand der erwarteten CBAM-Kosten für die Zukunft und in unserer Fallstudie damit Einsparungen von mehreren Millionen EUR pro Jahr. Eine Preisabsicherung wie skizziert Bedarf aufgrund der Komplexität einer Integration in die Unternehmensstrategie.

Abbildung 3: Kostenprognose für CBAM-Zertifikate des Importeurs in der Fallstudie ohne Hedging (grün) and mit Hedging (blau). (Quelle: carboneer CBAMCC Modell)

Um CBAM-Kosten effektiv zu managen, Risiken zu minimieren und Planungssicherheit zu ermöglichen, ist es unerlässlich frühzeitig die unternehmensinterne Exposition zu analysieren. Die Kosten für CBAM-Zertifikate werden voraussichtlich höher sein als vielen Marktteilnehmern und zukünftigen CBAM-Anmeldern derzeit bewusst. Wenngleich einige Unsicherheiten mit Bezug auf CBAM-Kosten bestehen, können mit Tools wie CBAMCC schon heute maßgeschneiderte Szenarios entwickelt und darauf basierend Strategien zur Beschaffung und Absicherung von CBAM-Zertifikatskosten ausgearbeitet werden.

Effektives CBAM-Kostenmanagement (Teil 1): CBAM-Zertifikatsbedarf und explizite Kosten

Im ersten Teil dieser Serie zum effektiven CBAM-Kostenmanagement leiten wir anhand einer konkreten Fallstudie den CBAM-Zertifikatsbedarf als auch die dadurch entstehenden expliziten Kosten her. Für Importeure von CBAM-Waren können schon für Importe im Jahr 2026 hohe Kosten auftreten und die Vorbereitung darauf sollte frühzeitig stattfinden.

Finanzielle Auswirkungen von CBAM abschätzen

Während für verpflichtete Importeure oder indirekte Zollvertreter im Jahr 2025 noch reine Berichtspflichten gelten, so wird CBAM ab 2026 in die Regelphase übergehen (siehe unseren Beitrag zu CBAM hier). Dies bedeutet vor allem, dass die offiziellen CBAM-Anmelder neben der weiterhin notwendigen Meldung von importierten Gütern und entsprechenden Emissionen, ab dem 1. Januar 2026 CBAM-Zertifikate für die in den Importen enthaltenen grauen Emissionen erwerben und diese jährlich bis zum 31.08 des Folgejahres einreichen müssen. Aus Sicht eines Importeurs oder indirekten Zollvertreters hat dies strategische Relevanz und die Auswirkungen auf Risiko- und Liquiditätsmanagement dieser zusätzlichen finanziellen Belastung sollte daher schon im Jahr 2025 analysiert werden, um:

  • Budget für die Beschaffung von CBAM-Zertifikaten einzuplanen
  • Eine Einkaufsstrategie für den Erwerb von CBAM-Zertifikaten zu entwickeln
  • Preisunsicherheiten von CBAM-Zertifikaten und damit Kosten für eingeführte Waren managen oder absichern zu können
  • Lieferanten- und Kundenverträge anzupassen, um nicht auf den Kosten CBAM-Kosten sitzenzubleiben
  • Die Auswirkungen von CBAM in strategische Einkaufsentscheidungen integrieren zu können

Im Folgenden werden die Schritte für die Entwicklung einer zielgerichteten Strategie zum CBAM-Kostenmanagement anhand eines Fallbeispiels dargestellt. Der Startpunkt ist die Ermittlung der relevanten CBAM-Emissionen, da diese die Menge der zu erwerbenden CBAM-Zertifikate bestimmt. Folgende Formel zeigt dabei die wichtigsten Parameter auf. Zur Vereinfachung ist die Annahme hier, dass keine CO2-Preise in der vorgelagerten Lieferkette gezahlt wurden.

Abbildung 1: Berechnung des Bedarfs an CBAM-Zertifikaten und relevante Datenquellen (ohne Berücksichtigung von CO2-Preisen in der vorgelagerten Lieferkette)

Für die Berechnung der Menge an zu erwerbenden CBAM-Zertifikaten sind neben den Informationen der importierten Produkte und der darin enthaltenen grauen Emissionen, besonders die CBAM-Benchmarks relevant. Die CBAM-Benchmarks werden voraussichtlich im Q4 2025 veröffentlicht. Die CBAM-Benchmarks werden angelehnt sein an die Benchmarks zur Ermittlung der freien Zuteilungen im EU Emissionshandelssystem (EU ETS). Die CBAM-Benchmarks werden also erst relativ kurzfristig vor dem Zeitpunkt des Erwerbs von CBAM-Zertifikaten offiziell bekanntgegeben. Über eine Szenarioanalyse kann jedoch schon heute eine Abschätzung des CBAM-Zertifikatsbedarf unter Zuhilfenahme der entsprechenden EU-ETS Benchmarks erfolgen.

Analyse des CBAM-Zertifikatsbedarfs

Zur Verdeutlichung der Herangehensweise wird in folgender Fallstudie ein Importvolumen von 100.000 Tonnen Stahlbarren zu gleichen Teilen jedes Quartal herangezogen. Weitere wichtige Annahmen für die Modellierung des CBAM-Zertifikatsbedarfs sind:

  • Keine abziehbaren CO2-Preise in der vorgelagerten Lieferkette
  • Direkte spezifische Emissionen: 2,58 tCO2/tProdukt
  • Indirekte spezifische Emissionen: 0,43 tCO2/tProdukt
  • Nutzung einer Kombination von EU ETS-Benchmarks als Proxy für den CBAM-Benchmark
  • Einbeziehung von indirekten Emissionen ab 2030 (angelegt in der CBAM-Verordnung, noch nicht endgültig festgelegt)

Die Menge der jährlich zu erwerbenden CBAM-Zertifikate für den CBAM-Anmelder in der Fallstudie ist nachfolgend dargestellt. Der Importeur muss im Jahr 2026 über 130.000 CBAM-Zertifikate erwerben, was einer Bepreisung von etwa 50 % der importierten direkten spezifischen Emissionen entspricht. Schon zum Start der CBAM-Regelphase kann also ein erheblicher Anteil der importierten Emissionen bepreist werden. Dies hängt insbesondere ab von der Höhe der grauen Emissionen in den importieren CBAM-Waren und damit von der CO2-Intensität des Produktionsverfahrens und des entsprechenden Herstellers. Eine Betrachtung pro Importvorgang, CBAM-Ware und Lieferant kann dabei Aufschluss über wichtige Metriken wie absoluten und relativen Beitrag zum Bedarf nach CBAM-Zertifikaten geben.

Abbildung 2: Abschätzung des CBAM-Zertifikatsbedarfs für 2026-2034 bei Import von 100.000 Tonnen Stahlbarren pro Jahr (Quelle: carboneer CBAMCC Modell)

Wichtig dabei: Die Menge von CBAM-Zertifikaten, die von CBAM-Anmeldern für eingeführte Waren gehalten werden muss, liegt am Ende jedes Quartals bei 50 % der importieren Emissionen seit Beginn des Jahres (finale Entscheidung dazu noch ausstehend). Ein Ausnahme hiervon gibt es für 2026, da CBAM-Zertifikate erst ab 2027 erworben werden können. Die tatsächliche Menge an einzureichenden CBAM-Zertifikaten basiert jedoch letztlich auf den verifizierten grauen Emissionen der importierten Waren oder den noch zu veröffentlichenden Standardwerten der EU Kommission. Diese Differenz zwischen verifizierten Emissionswerten und Standardwerten kann in einigen Fällen erheblich sein. Eine genaue Analyse der relevanten Importe und damit verbundenen grauen Emissionen ist für eine Abschätzung des Bedarfs an CBAM-Zertifikate ab 2026 unumgänglich.

Kostenschätzung und Liquiditätsbedarf für CBAM-Zertifikate

Die jährlichen Kosten für CBAM-Zertifikate bei gleichbleibendem Import können nun abgeschätzt werden. Dazu können Prognosen und Szenarien für Preise von Emissionsberechtigungen (EUA) im EU ETS herangezogen werden, da CBAM-Zertifikatspreise für Importe ab 2027 rollierend durch das wöchentliche Mittel der EUA-Auktionspreise gebildet werden (derzeit bei etwa 70 EUR/tCO2). Im carboneer CBAMCC Modell werden hierzu die Preisprojektionen verschiedener Veröffentlichungen verwendet. Die prognostizierten Kosten für die CBAM-Zertifikate für jährlich gleichbleibende Importe sind nachfolgend dargestellt, der Unsicherheitsfaktor aufgrund ungewisser Preisentwicklung im EU ETS wird durch die Balken verdeutlicht.

Abbildung 3: Prognose der CBAM-Zertifikatskosten für 2026-2034 bei Import von 100.000 Tonnen Stahlbarren pro Jahr (Quelle: carboneer CBAMCC Modell)

Der Liquiditätsbedarf für CBAM-Zertifikate für den Importeur oder CBAM-Anmelder in der Fallstudie steigt von etwa 10 Millionen EUR im Jahr 2026 auf 25-45 Millionen EUR im Jahr 2030 an. CBAM-Zertifikate sind weder zwischen Unternehmen handelbar noch langfristig gültig. Maximal die aufgrund der Haltepflicht von 50 %  im vorherigen Jahr erworbenen CBAM-Zertifikate können wieder an die Regulierungsbehörde zurückverkauft werden. Überschüssige CBAM-Zertifikate werden am 1. Oktober des zweiten Jahres nach Kauf ohne Kompensation gelöscht (finale Entscheidung dazu noch ausstehend). Verpflichtete Unternehmen sollten sich daher umfassend auf die finanziellen Auswirkungen von CBAM vorbereiten.

Im nächsten Beitrag werden wir detailliert auf Möglichkeiten eingehen, die Importeuren zum Risikomanagement und Absicherung ihrer CBAM-Zertifikatskosten zur Verfügung stehen.

Emissionshandel in Deutschland: Einnahmen, Entwicklungen und Perspektiven

Die Systeme der Emissionsbepreisung in Deutschland stehen vor tiefgreifendem Wandel. Das EU Emissionshandelssystem (EU ETS 1) verzeichnete rückläufige Einnahmen, während im nationale Emissionhandelsystem (nEHS) neue Rekordeinnahmen erzielt wurden. Was treibt diese Entwicklungen an, und wie werden bevorstehende regulatorische Änderungen – vom CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM bis zum EU ETS 2 – die Emissionsmärkte verändern?

EU ETS 1: Rückläufige Einnahmen mit Potenzial nach oben

Das EU ETS 1, das die Emissionen aus Kraftwerken, energieintensiven Industrieanlagen, dem innereuropäischen Luftverkehr und dem Seeverkehr regelt, verzeichnete im Jahr 2024 einen deutlichen Rückgang der deutschen Versteigerungseinnahmen. Die Gesamteinnahmen aus der Versteigerung von EU ETS 1-Emissionszertifikaten (EUA) beliefen sich auf etwa 5,5 Mrd. EUR, was einem Rückgang von 28 % gegenüber den 7,7 Mrd. EUR im Jahr 2023 entspricht (Abbildung 1). Dieser Rückgang ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: eine geringere Anzahl versteigerter EUAs und ein Rückgang des durchschnittlichen EUA-Preises im Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 (UBA, 2025).

Abbildung 1: Auktionserlöse aus dem EU ETS 1 in Deutschland 2023-2025 (Quelle: DEHSt, 2025a)

Um die festgelegten Klimaziele in den betroffenen Sektoren zu erreichen, wird die Menge der verfügbaren EUAs jährlich reduziert. Im Jahr 2024 sank die versteigerte Menge für Deutschland auf 85 Millionen EUAs, gegenüber 92 Millionen im Jahr 2023. Darüber hinaus sank der Durchschnittspreis pro EUA von 83,66 EUR/tCO2 im Jahr 2023 auf 65,00 EUR/tCO2 im Jahr 2024, was die geringere Nachfrage aus dem Energie- und Industriesektor aufgrund des höheren Anteils erneuerbarer Energien und der schwächeren wirtschaftlichen Bedingungen widerspiegelt. Trotzdem lag der Durchschnittspreis 2024 immer noch 24 % über dem Niveau von 2021, was die langfristige Stärkung der Emissionspreise verdeutlicht.

Seit Ende 2024 ist der Preis für Zertifikate im EU-EHS 1 in Erwartung eines geringeren Angebots an Zertifikaten und damit höherer Preise im Jahr 2025 gestiegen. Während der Preis Mitte Dezember 2024 bei 65 EUR/tCO2 lag, ist er um fast 25 % gestiegen und wurde im Februar 2025 teilweise über 80 EUR/tCO2 gehandelt. Die EUA-Preiserwartungen für das Jahr 2025 liegen zwischen 80-90 EUR/tCO2, was sowohl auf eine Verknappung des Angebots als auch auf wahrscheinlich höhere Auktionserlöse in diesem Jahr hindeutet.

Rekordeinnahmen im nationalen Emissionshandelssystem in Deutschland

Im Gegensatz zum EU ETS 1 verzeichnete das deutsche nationale Emissionshandelssystem (nEHS) einen Anstieg der Einnahmen. Das nEHS umfasst Emissionen aus dem Wärme- und Verkehrssektor. Im Jahr 2024 erreichten die Einnahmen aus dem nEHS 13 Mrd. EUR, ein Anstieg um 21 % gegenüber den 10,7 Mrd. EUR im Jahr 2023, wie Abbildung 2 zeigt. Dieser Anstieg ist in erster Linie auf eine Erhöhung des Festpreises für nEHS-Zertifikate von 30 € pro Tonne im Jahr 2023 auf 45 € pro Tonne im Jahr 2024 zurückzuführen (UBA, 2025).

Abbildung 2: Umsatzerlöse aus dem nEHS in Deutschland 2023-2025 (Quelle: DEHSt, 2025b)

An der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig wurden im Jahr 2024 insgesamt 278 Millionen nEHS-Zertifikate zum neuen Festpreis verkauft und damit rund 12,5 Milliarden Euro erlöst. Weitere 17 Millionen Zertifikate für das Jahr 2023 wurden zum Vorjahrespreis von 30 EUR/tCO2 verkauft, was den Gesamterlös um weitere 500 Millionen Euro erhöhte. Trotz einer geringeren Anzahl von verkauften Zertifikaten im Vergleich zu 2023 (Verkauf von 358 Millionen Zertifikate), konnten die Einnahmen durch die Preiserhöhung aufrechterhalten werden.

Gesamteinnahmen aus Emissionspreisen auf Rekordhoch

Deutschlands kombinierte Einnahmen aus dem EU-ETS 1 und nEHS erreichen 2024 18,5 Milliarden Euro und übertreffen damit die 18,4 Milliarden Euro von 2023 und deutlich die 13 Milliarden Euro von 2022. Diese Mittel fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem Initiativen zur Unterstützung der Energiewende und der Dekarbonisierungsziele Deutschlands finanziert werden.

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), betonte, dass der Emissionshandel weiterhin eine treibende Kraft für Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Nachhaltigkeit sein müsse. Er plädiert für einen Klimabonus, um Haushalte zu unterstützen, die von steigenden Kohlenstoffpreisen betroffen sind, sowie für gezielte Subventionen, um sozial benachteiligte Gruppen bei der Umstellung auf klimafreundliche Alternativen zu unterstützen (UBA, 2025).

Regulatorische Entwicklungen: Angleichung der nationalen Gesetzgebung

Der Deutsche Bundestag hat Ende Januar 2025 das TEHG-Europarechtsanpassungsgesetz 2024 verabschiedet, mit dem die nationalen Regelungen an die reformierten Emissionshandelsregeln der EU angepasst werden. Wesentliche Aspekte dieser Reform sind (BMWK, 2025):

  • Einbeziehung des Seeverkehrs: Ab 2024 werden 40 % der Emissionen aus dem Seeverkehr unter das EU ETS 1 fallen, 2025 werden es 70 % und 2026 100 % sein.
  • Strengere Emissionsobergrenzen im Luftverkehr: Ab 2024 gelten für Fluggesellschaften niedrigere Emissionsgrenzwerte, und zum ersten Mal müssen sie über Nicht-CO2-Klimaeffekte wie die Bildung von Kondensstreifen berichten.
  • Übergang zum EU ETS 2 im Jahr 2027: Das neue europäische Emissionshandelssystem für Verkehr und Heizung wird das deutsche nEHS und andere nationale Kohlenstoffpreissysteme der EU-Mitgliedstaaten ersetzen.
  • Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM): CBAM führt eine Kohlenstoffbepreisung für Importe von energieintensiven Produkten wie Stahl, Zement und Aluminium ein und soll so für einen fairen Wettbewerb zwischen EU und nicht-EU Produzenten führen. Derzeit läuft eine Übergangsphase, die Regelphase mit finanziellen Verpflichtungen startet 2026.

Anfang 2025 stieg der feste CO2-Preis im nEHS von 45 auf 55 EUR/tCO2 (vgl. Tabelle 1), ein Schritt, der seit der Einführung des Systems im Jahr 2021 geplant ist. Diese schrittweise Erhöhung gibt Bürgern und Unternehmen Zeit, auf umweltfreundlichere Alternativen umzusteigen, und wird voraussichtlich auch im Jahr 2025 wieder zu höheren Verkaufserlösen führen. Da der nEHS ab 2027 in das EU-EHS 2 aufgeht, werden die Preise für Emissionen in diesen Sektoren ab dann auf freien Auktionspreisen beruhen.

JahrPreis EUR/tCO2Mechanismus
202125Festpreis
202230
202330
202445
202555
202655-65Auktion mit Preiskorridor
Ab 202745-100 (Schätzungen)Auktion mit freier Preisbildung (EU ETS 2)
Tabelle 1: Entwicklung der Emissionspreise in den vom nEHS erfassten Sektoren

Es wird erwartet, dass die Preiserhöhung 2025 im Rahmen des nEHS nur moderate Auswirkungen auf die Kraftstoffkosten haben wird. Der Preis pro Liter Benzin und Diesel könnte um etwa 3 Cent steigen. Die Kraftstoffpreise schwanken ebenfalls aufgrund externer Faktoren wie den globalen Ölpreisen, die oft größere Preisschwankungen verursachen als die Kohlenstoffpreise allein. Für eine Fahrtleistung eines PKW von jährlich 15.000 km fährt, wird der erwartete Kostenanstieg etwa 50 EUR pro Jahr betragen (Bundesregierung, 2025).

Künftige Entwicklung

Mit der Ausweitung des EU-Emissionshandelsrahmens entwickelt sich die Kohlenstoffbepreisung zu einem zentralen Mechanismus der Klimapolitik. Während das EU ETS 1 aufgrund von Konjunkturschwankungen und Marktanpassungen Einnahmeeinbußen hinnehmen musste, verzeichnete das nEHS Rekordeinnahmen. Die Gesamteinnahmen aus dem Emissionshandel erreichten 2024 für Deutschland ein Allzeithoch, was die Bedeutung der Verwendung dieser Mittel für den Klimaschutz und Initiativen zur sozialen Gerechtigkeit unterstreicht.

Der Preisanstieg im nEHS, die erwarteten höheren Preise im EU ETS 1, die Einführung von CBAM und der Start des EU ETS 2 im Jahr 2027 sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft. Auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel 2050 der EU wird der Emissionshandel ein Eckpfeiler der Umwelt- und Wirtschaftspolitik bleiben.

Quellen

BMWK, 2025, Bundestag beschließt umfassende Reform des Emissionshandels, URL: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2025/20250131-bundestag-emissionshandel.html

Bundesregierung, 2025, CO2-Preis beträgt jetzt 55 Euro, URL: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/co2-preis-kohle-abfallbrennstoffe-2061622

DEHSt, 2025a, Auctioning report: Fourth Quarter 2024, URL: https://www.dehst.de/SharedDocs/downloads/EN/auctioning/2024/2024_report_Q4.pdf?__blob=publicationFile&v=3

DEHSt, 2025b, Sales report: Fourth Quarter and entire year 2024, URL: https://www.dehst.de/SharedDocs/downloads/EN/nehs/sales-reports-nehs/2024/2024-Q4_sales-report.pdf?__blob=publicationFile&v=3 UBA, 2025, Revenue from emission trading one again at record level, URL: https://www.umweltbundesamt.de/en/press/pressinformation/revenue-from-emissions-trading-once-again-at-record

UBA, 2025, Revenue from emission trading one again at record level, URL: https://www.umweltbundesamt.de/en/press/pressinformation/revenue-from-emissions-trading-once-again-at-record

Das neue EU ETS  2 – Bepreisung von Emissionen in Gebäuden und im Straßenverkehr

Das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU ETS) bildet seit Einführung im Jahr 2005 einen Grundpfeiler der Klimastrategie der EU. Im Jahr 2024 startet das zusätzliche EU ETS 2 mit Verpflichtungen für Unternehmen und deckt Emissionen aus Gebäuden, dem Straßenverkehr und weiteren Sektoren wie der Brennstoffnutzung in kleinen Industrieanlagen ab. Das EU ETS  2 verpflichtet Brennstofflieferanten zur Überwachung und jährlichen Meldung der Emissionen der in Verkehr gebrachten Brennstoffe. Ab 2027 müssen die verantwortlichen Unternehmen Emissionszertifikate in Höhe der Emissionen in den von ihnen verkauften Brennstoffen erwerben und abgeben.

Die wichtigsten Fakten zum EU ETS  2

Der EU ETS  2 wird parallel zum EU ETS 1 und zumindest bis Ende 2026 auch parallel zum bestehenden nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionhandelsgesetz (BEHG) eingeführt. Das neue EU ETS 2 umfasst Emissionen die bislang vom Geltungsbereich des EU ETS 1 ausgeschlossen waren, wie die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Generell hat das EU ETS 2 einen geringeren Anwendungsbereich als der deutsche Emissionshandel nach BEHG. Jedoch hat Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht weitere Tätigkeiten in das EU ETS 2 zu integrieren um eine Deckungsgleichheit zwischen derzeitigem nationalen Emissionshandel und dem neuen EU ETS 2 herzustellen. Eine Billigung dieser Ausweitung durch die Europäische Kommission steht noch aus (BMWK, 2024).

Das EU ETS 2 basiert auf einem Cap-and-Trade-System, bei dem eine jährlich sinkende Obergrenze für die Gesamtemissionen innerhalb der EU festgelegt wird. Eine entsprechende Anzahl von Zertifikaten wird an die verantwortlichen Unternehmen versteigert. Pro Tonne CO2-Emission, welche durch die Verbrennung der in Verkehr gebrachten Brennstoffe anfällt, muss ein Zertifikat abgegeben werden. Der EU ETS 2 zielt darauf ab, die Emissionen der abgedeckten Sektoren bis 2030 um 42 % im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Im Gegensatz zum EU ETS 1, das die Emissionen am Entstehungsort reguliert, liegt die Verpflichtung im EU ETS 2 Upstream, also beim Inverkehrbringer von Brennstoffen und nicht am Ort des Verbrauchs der Brennstoffe. Dies deckt sich mit dem in Deutschland existierenden nationalen Emissionhandel nach BEHG. Schätzungen der EU-Kommission zufolge werden EU-weit bis zu 11.400 Brennstofflieferanten, -verteiler und -händler durch das neue EU ETS 2 reguliert. Durch dessen Einführung werden nationale und EU-Verantwortlichkeiten, Emissionsminderungs-ziele und die Emissionsbepreisung innerhalb der EU harmonisiert.

Zur Bestimmung der Emissionen im Rahmen des EU ETS 2 muss auf Unternehmensebene ein umfassendes System zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung eingeführt werden. Um eine Doppelzählung zu vermeiden, sollten Emissionen aus der Brennstoffverbrennung, die bereits im EU ETS 1 erfasst wurden, nicht im EU ETS 2 gezählt werden. Dies erfordert, dass Brennstofflieferanten und deren Kunden in solchen Fällen Nachweise erbringen müssen. In Deutschland wird der nationale Emissionshandel nach BEHG erst ab 2027 vollständig in das EU ETS 2 integriert. Dadurch besteht für die Jahre 2024 bis 2026 eine doppelte Berichterstattung der Emissionen in beiden System.

Erste Compliance-Fristen im Jahr 2024

Für die Unternehmen, die dem EU ETS  2 unterliegen, sollten Vorbereitungsaktivitäten bereits laufen, da erste Fristen nahen. Der Zeitrahmen der Einführung des EU ETS 2 ist ambitioniert, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1: Zeitplan der Compliance-Verpflichtungen im EU ETS 2. Quelle: carboneer

Um die Emissionen gemäß den Regeln des EU ETS 2 zu überwachen, sollte bis zum 31. August 2024 ein Antrag zur Emissiongenehmigung und ein Überwachungsplan bei der zuständigen nationalen Behörde eingereicht werden. Laut einem Entwurf einer Novelle des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 30. Juli 2024, wird die zuständige Behörde (Deutsche Emissionshandelsstelle) eine dreimonatige Frist zur Einreichung festsetzen und diese im Bundesanzeiger bekanntmachen (BMWK, 2024). Bis zum Ablauf dieser Frist gilt der nach BEHG bestehende Überwachungsplan als Emissionsgenehmigung und Überwachungsplan auch für das EU ETS 2. Die Emissionen für das Jahr 2024 müssen zum 30. April 2025 an die Behörde berichtet werden.

Der Erwerb und die Abgabe von Zertifikaten im Rahmen des EU ETS 2, ist erst ab 2027 erforderlich. Ab 2027 werden Zertifikate im Rahmen des EU ETS 2 versteigert. Eine Zuteilung kostenloser Zertifikate, wie sie zu Beginn des EU ETS 1 und derzeit noch für einige Zweige der EU-Industrie angewendet wird, existiert nicht. Um das Angebot an Zertifikaten zu regulieren und anfänglich auch Preisstabilität zu gewährleisten, wird eine Marktstabilitätsreserve sowie verschiedene Preisstabilitätsmechanismen eingeführt. Die Zertifikatsobergrenze (Cap) im Jahr 2027 wird durch eine jährliche Reduktion von 5,1 % gegenüber dem Emissionsniveau von 2024 bestimmt. Ab 2025 wird dieser lineare Reduktionsfaktor auf 5,38 % erhöht. Dies bedeutet, dass das Gesamtangebot an Zertifikaten im Jahr 2027 etwa 1,25 Milliarden betragen und bis 2030 auf unter 800 Millionen sinken wird. Abbildung 2 zeigt eine Szenario für die versteigerten Zertifikatsmengen im Einklang mit den langfristigen sektoralen Klimazielen der EU.

Abbildung 2: Szenario für das Angebot an ausgegeben Zertifikaten im EU ETS 2. Quelle: carboneer

Herausforderungen und Komplexität

Der EU ETS 2 stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, da sie umfassende Emissionsüberwachungspläne entwickeln müssen, die ihre Aktivitäten, Brennstoffarten und Emissionsberechnungsmethoden detailliert darstellen. Insbesondere die Berechnung der Emissionen ist komplex. Zunächst muss ein Scope-Faktor festgelegt werden, um den Anteil der Brennstoffverkäufe eines Unternehmens zu bestimmen, der unter die regulierten Tätigkeiten wie Brennstoffemissionen aus Gebäuden oder dem Straßenverkehr fällt. Der Scope-Faktor reicht von 0 (kein Brennstoff wird an betroffene Sektoren verkauft) bis 1 (alle verkauften Brennstoffe fallen in den Anwendungsbereich). Dies stellt sicher, dass nur relevante Emissionen berücksichtigt werden. Mithilfe des korrekten Emissionsfaktors für verschiedene Brennstoffe sowie der Brennstoffmenge werden dann die gesamten CO2-Emissionen pro Brennstoff berechnet.

Um die Datenqualität sicherzustellen, folgt die Überwachung der Emissionen einem System mit unterschiedlichen Ebenen, welches die Datengenauigkeit von Ebene 1 (am wenigsten genau) bis Ebene 4 (am genauesten) kategorisiert. Höhere Ebene, müssen von Unternehmen mit größeren Brennstoffströmen und damit höheren Emissionen verwendet werden und erfordern präzisere Datenerhebung. Emissionen aus Biomassebrennstoffen können mit null bewertet werden, wenn die Biomasse die Kriterien der Erneuerbare-Energien-Richtlinie erfüllt.

Für Emissionsberichte ab dem Berichtsjahr 2025 ist eine Prüfung durch unabhängige akkreditierte Stellen verpflichtend. Die Einführung der Bepreisung im Rahmen des EU ETS 2 kann zu erheblichen Kostensteigerungen führen, was sowohl Betriebskosten als auch Verbraucherpreise beeinflussen wird. Abbildung 3 zeigt Preisprognosen für die Zertifikate im EU ETS 2. Da die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden, können die Preise für die Zertifikate ab 2027 erheblich schwanken. Die Prognosen reichen von 50 € bis 340 € pro Tonne CO2 bis 2030. Unternehmen sollten Kostenrisiken durch maßgeschneiderte Beschaffungsstrategien für EU ETS  2 Zertifikate steuern.

Abbildung 3: Prognostizierte Zertifikatspreise im EU ETS 2 im Jahr 2030. Datenquelle: UBA, 2024, Quelle: carboneer

Der Klima-Sozialfond spielt eine entscheidende Rolle bei der Abmilderung der finanziellen Auswirkungen auf gefährdete Verbraucher in der EU. Ziel ist es, gefährdete Haushalte und Kleinstunternehmen zu unterstützen, die vom Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft finanziell betroffen sind. Der Klima-Sozialfond wird aus Einnahmen der Versteigerung von Zertifikaten finanziert und bietet finanzielle Unterstützung für Maßnahmen, die Emissionen und Energiekosten senken. Im Zeitraum zwischen 2026-2032 sind dabei Mittel in Höhe von 86,7 Mrd. EUR vorgesehen. Ein Beispiel für die Verwendung der Mittel sind Zuschüsse zur Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden, wie z. B. Isolierung und Installation effizienterer Heizsysteme. Dieser doppelte Fokus auf Haushalte und Unternehmen soll die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit fördern und trägt dazu bei, einige der finanziellen Belastungen und betrieblichen Herausforderungen des EU ETS 2 abzufedern.

Um die potenziellen Auswirkungen der steigenden Zertifikatspreise zu verstehen, veranschaulicht Abbildung 4, wie sich unterschiedliche Zertifikatspreise auf verschiedenen Brennstoffarten auswirken würden.

Abbildung 4: Preisauswirkungen auf verschiedene Kraftstoffe bei unterschiedlichen Preisen für EU ETS 2 Zertifikate. Quelle: carboneer

Strategie zur Umsetzung von Verpflichtungen im EU ETS 2

Aufgrund der Komplexität des EU ETS 2 und des ambitionierten Zeitplans ist eine solide Strategie zur Umsetzung der Verpflichtungen unerlässlich. Wie können sich Unternehmen also vorbereiten?

Emissionüberwachung und Compliance-Zyklus:

  • Entwicklung umfassender Überwachungspläne, die alle relevanten Aktivitäten, Brennstoffarten und Emissionsberechnungsmethoden abdecken
  • Überwachungspläne müssen von den nationalen Behörden genehmigt werden
  • Prüfung der Emissionen

Compliance-Verpflichtungen:

  • Detailliertes Verständnis des EU ETS 2 und der damit verbundenen Vorschriften
  • Aufbau von Kapazitäten, Zuweisung von Verantwortlichkeiten, interne und externe Kommunikation
  • Zugang zu Registern und Zertifikaten des EU ETS 2

Finanzielle Auswirkungen:

  • Bewertung der EU ETS 2 Exposition und Kostenprognosen
  • Implementierung von Strategien zur Kostensteuerung und zur Weitergabe von Kosten an Verbraucher
  • Risikomanagement, Hedging und Strategien zur Zertifikatsbeschaffung zur Reduzierung der finannziellen Unsicherheiten

Fazit

Das EU ETS 2 ist ein wichtiges Instrument der Europäischen Union zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in Sektoren wie Gebäude und Straßenverkehr über ein neues Cap-and-Trade-System für Brennstoffe. Der neue Emissionshandel zielt darauf ab, die Emissionen in der betroffenen Sektoren bis 2030 um 42 % im Vergleich zu 2005 zu senken. Das System bringt komplexe Verpflichtungen für Unternehmen mit sich und erfordert vorausschauende Planung und Entwicklung einer Compliance-Strategie zur Einhaltung der Überwachungs-, Berichts- und Prüfungssprozesse schon ab dem Jahr 2024. Angesichts der voraussichtlich hohen Zertifikatspreise können die finanziellen Auswirkungen erheblich sein. Robuste Risikomanagement- und Absicherungsstrategien sind daher nötig. Unternehmen sollten jetzt handeln, um die neuen Vorschriften zu verstehen und die Einhaltung aller rechtlichen Pflichten sowie die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

Autoren: Simon Göß und Florian Schlennert

Quellen

BMWK, 2024, TEHG-Novelle, URL: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/20240730-entwurf-anpassung-treibhausgas-emissionshandelsgesetz.html

DEHSt, 2024, Berichtsphase EU-ETS 2 (2024 bis 2026), URL: https://www.dehst.de/DE/Themen/nEHS/EU-ETS-2/eu-ets-2_node.html

UBA, 2024, Supply and Demand in the ETS 2, URL: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/supply-demand-in-the-ets-2

Auswirkungen des CO2-Grenzausgleichsystems (CBAM) auf den Eisen- und Stahlsektor

Am 1. Oktober 2023 trat das CO₂-Grenzausgleichsystem (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM) in Kraft. Als Maßnahme zur Begrenzung der Verlagerung von CO₂-Emissionen (Carbon Leakage) ergänzt das Instrument das Europäische Emissionshandelssystem (EU-EHS), indem es einen CO₂-Preis für importierte Waren festlegt, der dem CO₂-Preis für im Inland produzierte Waren entspricht. CBAM führt eine Reihe von Berichts- und Einhaltungspflichten für Importeure von Waren in die Europäische Union ein.

Warum ist CBAM notwendig?

CBAM zielt darauf ab, das Risiko für Carbon Leakage im Rahmen des EU-EHS zu verringern. Carbon Leakage beschreibt das Phänomen, bei dem Klimapolitik die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Hersteller gegenüber umweltschädlicheren ausländischen Herstellern einschränkt, die von weniger strengen Vorschriften profitieren. Es besteht dann die Gefahr, dass die Industrie in Länder mit niedrigeren Umweltstandards abwandert. Die Emissionen würden exportiert statt gemindert, und die heimische Wirtschaft verbleibt geschwächt.

Im Rahmen des EU-EHS erhalten regulierte Unternehmen, bei denen ein Carbon-Leakage-Risiko besteht, kostenlos Emissionszertifikate in Abhängigkeit von ihrer Emissionsintensität im Verhältnis zu einem sektoralen Benchmark. Auf diese Weise wird der Wettbewerbsnachteil der europäischen Klimapolitik abgemildert. Die Zuteilung kostenloser Zertifikate läuft bis 2034 aus, ab dann wird CBAM diese Aufgabe übernehmen.

Was ist der Mechanismus & Anwendungsbereich von CBAM?

CBAM ist während der Übergangsperiode von Oktober 2023 bis Ende 2025 auf ausschließlich Berichtspflichten beschränkt. Importeure oder indirekte Zollvertreter, die CBAM-Waren in die EU einführen, sind verpflichtet, die bei der Herstellung von CBAM-Waren und deren Vorprodukten entstehenden Emissionen (graue Emissionen) zu berechnen und zu melden.

Der Zeitraum der vollständigen Anwendung des CBAM beginnt 2026. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Importeure CBAM-Zertifikate erwerben. Der Preis der CBAM-Zertifikate ist an den Preis der Emissionszertifikate im EU-EHS gekoppelt, der derzeit bei etwa 85 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent liegt und bis 2030 voraussichtlich zwischen 100 und 150 Euro liegen wird. Jeder CO2-Preis, der bereits in den Herkunftsländern fällig wird, reduziert die Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate (Abbildung 1). Dieser Mechanismus gleicht den Kohlenstoffpreis für ausländische und inländische Waren an, die auf dem EU-Markt verkauft werden. Im Vergleich zum System der kostenlosen Zuteilung erhöht CBAM nicht nur die Einnahmen der EU aus dem EU-EHS, sondern schafft auch Anreize für ehrgeizige Kohlenstoffpreise und die Dekarbonisierung der Industrie im Ausland.

Abbildung 1 CBAM-Wirkungsweise. Quelle: carboneer.

CBAM deckt derzeit sechs Sektoren ab, auf die etwa 50 % der Emissionen im EU-EHS entfallen: Aluminium, Zement, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff sowie Eisen & Stahl. Im Eisen- und Stahlsektor werden derzeit 478 KN-Waren (Kombinierte Nomenklatur) zu 8 aggregierten Warenkategorien zusammengefasst, die ähnliche Produktionswege, Systemgrenzen und Vorläuferstoffe aufweisen.

Bis spätestens Ende 2024 wird die EU-Kommission weitere Produkte entlang der Wertschöpfungskette von CBAM-Waren für eine mögliche Aufnahme in die Verordnung identifizieren. Ab Januar 2028 und anschließend alle zwei Jahre wird die Effektivität von CBAM bewertet und über die mögliche Aufnahme weiterer Sektoren in CBAM beraten.

Was sind die CBAM-Verpflichtungen für Importeure?

Um ihre CBAM-Verpflichtungen zu erfüllen, müssen sich Importeure oder indirekte Zollvertreter vor der Einfuhr von CBAM-Waren in die EU als autorisierte CBAM-Anmelder registrieren lassen. Für jedes Kalenderjahr müssen die regulierten Unternehmen die in den Importen enthaltenen Emissionen nach der weiter unten beschriebenen Methode berechnen und die Ergebnisse in der CBAM-Erklärung bis zum 31. Mai des Folgejahres mitteilen. In diesen Erklärungen können die Importeure auch eine Verringerung der abzugebenden CBAM-Zertifikate beantragen, wenn im Herkunftsland bereits ein Preis auf Emissionen gezahlt wurde. Die in den CBAM-Erklärungen enthaltenen Informationen müssen von unabhängigen Gutachtern verifiziert werden, die im Rahmen der EU-EHS-Verordnung akkreditiert sind. Weiterhin müssen Importeure einen Zugang zum CBAM-Register einrichten. Auf dieser Plattform werden die Daten über die grauen Emissionen an die Behörden übermittelt und CBAM-Zertifikate gekauft und eingereicht.

Die Verpflichtung zur Einreichung von CBAM-Zertifikaten wird schrittweise bis 2034 eingeführt. In der Übergangszeit müssen keine CBAM-Zertifikate gekauft werden. Erst mit der vollständigen Anwendung von CBAM im Jahr 2026 müssen die Importeure CBAM-Zertifikate abgeben. Die Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate steigt proportional zum Auslaufen der kostenlosen Zuteilungen im EU-EHS: 2026 müssen regulierte Unternehmen CBAM-Zertifikate für 2,5 % ihrer grauen Emissionen abgeben. Dieser Anteil steigt schrittweise an, bis er im Jahr 2034 100 % erreicht.

Wie werden graue Emissionen berechnet?

Generell müssen die CBAM-Anmelder sowohl die direkten Emissionen aus dem Produktionsprozess als auch die indirekten Emissionen aus der Erzeugung der im Produktionsprozess verwendeten Energie berücksichtigen. In der CBAM-Richtlinie sind einige Güter (auch aus dem Eisen- und Stahlsektor) aufgeführt, bei denen nur die direkten Emissionen zu berücksichtigen sind, da einige Produktionsanlagen von den EU-Ausgleichszahlungen für höhere Strompreise profitieren. Für die eigentliche Berechnung der direkten Emissionen können die Verpflichteten eine der beiden Methoden anwenden:

  1. Der berechnungsbasierte Ansatz, bei dem die in der Produktion verwendeten Rohstoffe und Inputs mit Berechnungsfaktoren wie dem netto Heizwert oder Emissionsfaktoren kombiniert werden.
  2. Der messungsbasierte Ansatz, bei dem die Emissionen durch kontinuierliche Messungen des Abgasstroms und der Treibhausgaskonzentrationen in den Abgasen bestimmt werden.

Wenn die CBAM-Anmelder nicht über die erforderlichen Daten zur Durchführung der Berechnungen verfügen, können sie auf Standardwerte zurückgreifen, die als Emissionsfaktoren verwendet werden. Die Standardwerte sollen bis Ende 2023 veröffentlicht werden. Die EU hat bereits eine erste Studie veröffentlicht, die die Unterschiede in den Emissionsintensitäten zwischen der EU und ihren Handelspartnern für CBAM-Waren aufzeigt (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 Emissionsintensität für CN code 7217 10 – Wires of non-alloy steel. Der Wert für Weißrussland basiert auf dem sekundären Produktionsweg. Quelle: Vidovic et al. (2023).

CBAM-Anmelder können auch ihre Lieferanten auffordern, sich als Betreiber aus einem Drittland im CBAM-Register registrieren zu lassen. Sie können die oben genannte Berechnungsmethode auf ihren Output anwenden und eine Prüfung gemäß den EU-EHS-Standards durchführen lassen. Die Lieferanten können dann die Informationen über ihre grauen Emissionen an die CBAM-Anmelder weitergeben, die ihrerseits diese Informationen in ihren CBAM-Erklärungen verwenden können.

Welche Regeln gelten während des Übergangszeitraums?

Die EU ist sich der Herausforderungen für Unternehmen bewusst, und führt den Mechanismus schrittweise mit einer Übergangsperiode vom 1. Oktober 2023 bis zum 31. Dezember 2025 ein. Die Übergangszeit soll allen Beteiligten, einschließlich Importeuren, Herstellern und Behörden, als Test- und Lernphase dienen. Ihr Zweck ist es, Daten über graue Emissionen zu sammeln, um die Methodik für den Zeitraum der vollständigen Anwendung ab 1. Januar 2026 zu verbessern. Die CBAM-Verpflichtungen beschränken sich während des Übergangszeitraums auf die Berichterstattung (Abbildung 3).

CBAM-Anmelder müssen anstelle von jährlichen CBAM-Erklärungen vierteljährliche CBAM-Berichte einreichen. Der erste Bericht, der die grauen Emissionen aus dem vierten Quartal 2023 abdeckt, muss bis zum 31. Januar 2024 eingereicht werden. Die Anforderungen an die Berechnung und die allgemeine Berichterstattung werden in der Übergangsphase etwas gelockert: Neben der oben beschriebenen Berechnungsmethode (EU-Methode) stehen für die Übergangsphase zwei weitere Methoden zur Verfügung:

  1. Bis zum 31. Dezember 2024 können graue Emissionen über nationale Systeme von Drittländern ermittelt werden, wie z. B. Kohlenstoffpreissysteme oder Überwachungssysteme.
  2. Bis zum 31. Juli 2024 können graue Emissionen auch ausschließlich anhand von Standardwerten aus der EU oder anderen Ländern ermittelt werden, wenn die Berechnungsmethoden übereinstimmen.

In der Übergangsphase müssen Unternehmen sowohl über direkte als auch über indirekte Emissionen berichten. Die oben erwähnten Ausnahmen für indirekte Emissionen in der Eisen- und Stahlindustrie gelten nur für den Zeitraum der vollständigen Anwendung der CBAM-Regeln. Sanktionen können verhängt werden, wenn der Anmelder keinen korrekten oder vollständigen CBAM-Bericht vorlegt. Die Strafen liegen zwischen 10 und 50 EUR pro Tonne nicht gemeldeter Emissionen.

Abbildung 3 CBAM Zeitplan. Quelle: carboneer.

Welche unmittelbaren Aufgaben ergeben sich für Unternehmen?

Bis zum Zeitraum der vollständigen Anwendung dauert es noch über zwei Jahre. Schon jetzt können Sie Ihr Unternehmen vorbereiten, um die rechtlichen Verpflichtungen des Übergangszeitraums zu erfüllen und einen Vorsprung für den Zeitraum der vollständigen CBAM-Anwendung zu erarbeiten:

  • Ermitteln Sie, welche Ihrer Importe den CBAM-Vorschriften unterliegen. Setzen Sie sich mit Lieferanten und Herstellern in Verbindung, um Emissionsdaten für importierte Waren zu sammeln. Sammeln Sie Informationen über Kohlenstoffpreisregelungen in den Ursprungsländern Ihrer CBAM-Waren.
  • Lassen Sie sich als CBAM-Anmelder registrieren oder lassen Sie Ihren indirekten Zollvertreter registrieren.
  • Erhalten Sie Zugang zum CBAM-Übergangsregister. Dies ist die Schnittstelle für Regulierungsbehörden und regulierte Unternehmen während der Übergangszeit.
  • Lernen Sie den Umgang mit der von der EU veröffentlichten CBAM-Meldevorlage.
  • Einrichtung von Prozessen zur Sammlung von Emissionsdaten und Bereitstellung von Personalkapazitäten für die Bearbeitung von CBAM-Aufgaben.
  • Nutzen Sie die Preisprognose für die EU-Emissionsrechte und die Prognosen zu grauen Emissionen, um die mittelfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der CBAM-Vorschriften auf Ihre Lieferkette und Ihr Unternehmen zu beurteilen.
  • Verstehen Sie die Auswirkungen von CBAM auf Ihre Lieferkette und bewerten Sie Ihr Preis- und Regulierungsrisiko in verschiedenen Ländern.

Mit der Einführung von CBAM spielt die Emissionsüberwachung und -berichterstattung zusammen mit der Bepreisung von CO2 eine immer wichtigere Rolle für Nicht-EU-Produzenten und Importeure. Die Verpflichtungen zur Emissionsberichterstattung während des Übergangszeitraums von CBAM sind für viele Unternehmen neu erfordern eine umfassende Vorbereitung. Die Vorschriften zu CBAM werden in den kommenden Jahren weiterentwickelt und sollten von Erzeugern aus Drittländern und der EU sowie von Händlern und Importeuren gleichermaßen genau beobachtet werden. Weitere CBAM-Durchführungsbestimmungen werden kontinuierlich veröffentlicht. Beispielsweise zur Beschaffung von Ökostrom über Strombezugsverträge (PPAs) oder zu aktualisierten Produktlisten, die den CBAM-Verpflichtungen unterliegen. Letztlich benötigen Unternehmen einen strategischen Ansatz für diese neuen Realitäten des globalen Handels und der Dekarbonisierung.

Quelle:
Vidovic, D., Marmier, A., Zore, L. and Moya, J., Greenhouse gas emission intensities of the steel, fertilisers, aluminium and cement industries in the EU and its main trading partners, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2023, doi:10.2760/359533, JRC134682.

Carbon Management in Deutschland (II): Emissionen, Potenziale und Kosten für CCUS

In diesem zweiten Artikel der Serie über Kohlendioxidabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS) in Deutschland analysiert carboneer die Emissionsprofile der deutschen Industrie und die damit verbundenen CCS-Potenziale und -Kosten. Lesen Sie den ersten Artikel über die Entwicklungen zu Carbon Management in Deutschland aus klimapolitischer Perspektive hier. Folgen Sie carboneer, um Zugriff auf alle Artikel zum historischen und politischen Kontext des Themas und zu Entwicklungen und Auswirkungen auf die Sektoren Stahl, Zement, Kalk, Chemikalien und Müllverbrennung zu haben.

Fokus auf industrielle Emissionen

CCUS-Aktivitäten im Energiesektor, insbesondere bei Stromerzeugung in Kohle- und Gaskraftwerken, werden höchstwahrscheinlich keinen Einzug in die Carbon Management Strategie (CMS) Deutschlands finden, da diese auf residuale, schwer zu dekarbonisierende und prozessbezogene Emissionen im Industriesektor ausgerichtet ist. Dennoch ist der Energiesektor der größte Verursacher von deutschen CO2-Emissionen: Im Jahr 2021 emittierte der Energiesektor 238 Mt CO2, was 35% der Gesamtemissionen entspricht. Die meisten Emissionen aus bestehenden Kohle- und Gaskraftwerken dürften jedoch durch erneuerbare Quellen oder die Nutzung von grünem Wasserstoff ersetzt werden, was den Anwendungsbereich für CCUS begrenzt. Dennoch hat auch dieser Sektor Potenzial, hauptsächlich durch CCUS-Anwendungen in Müll- und Biomassekraftwerken.

Der Schwerpunkt von CCUS-Aktivitäten wird daher auf dem Industriesektor liegen, dem zweitgrößten Verursacher von CO2-Emissionen in Deutschland. Im Jahr 2021 waren industrielle Anlagen für 168 Mt CO2-Emissionen verantwortlich, was 25% der Gesamtemissionen entspricht. Der größte Teil der industriellen Emissionen stammt von großen Anlagen, die dem EU Emissionshandelssystem unterliegen, sowie von Müllverbrennungsanlagen. Diese Anlagen emittierten im Jahr 2021 insgesamt 137,8 Mt CO2 (vgl. Abbildung 1), wobei die größten Anteile aus der Stahlproduktion (31,5 Mt), der Müllverbrennung (23,3 Mt), der Zementproduktion (20,1 Mt), dem Chemiesektor (16,9 Mt) und Kalkherstellung (6,4 Mt) stammen.

Figure 1: Anteile der CO2-Emissionen aus deutschen Industriesektoren (Anlagen im EU Emissionshandel) und aus der Müllverbrennung im Jahr 2021 (Quelle: carboneer, Datenquelle: DEHSt (2022), EEA (2022))

Das CCS-Potenzial im Industriesektor in Deutschland

Dreiviertel der Industrieemissionen stammen aus dem Energieverbrauch und sollen vor allem durch erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnahmen reduziert werden. Etwa ein Viertel der industriellen Emissionen sind prozessbezogen und kommen aus der Verwendung kohlenstoffhaltiger Materialien in der Produktion. Prozessemissionen sind schwer zu vermeiden, und die fünf großen Klimaneutralitätsstudien für Deutschland (siehe Teil I) betonen die bedeutende Rolle von CCUS für die Emissionsminderung und von CO2-Recycling in der Industrie.

Bei der Berechnung des CCS-Potenzials ist zu beachten, dass nicht alle prozessbezogenen Emissionen abgeschieden werden können. Abhängig von Branche und der Verteilung der Emissionsquellen liegt der Anteil abscheidbarer Emissionen zwischen 45% in der Chemieindustrie und 90% für Müllverbrennungsanlagen. Nach dieser Methodik beläuft sich die Menge der technisch abscheidbaren CO2-Emissionen aus großen Industrie- und Müllverbrennungsanlagen in Deutschland auf 44,2 Mt (vgl. Abbildung 2).

Figure 2: CCS-Potenzial in ausgewählten Sektoren (Quelle: carboneer)

Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Machbarkeit und alternativer technologischer Wege zur Dekarbonisierung schrumpft das letztlich relevante CCS-Potenzial noch weiter. Während Emissionen bei Herstellung von Kalk und Zement und bei der Müllverbrennung abgeschieden werden müssen, da es an technologischen Alternativen mangelt, könnte grüner Wasserstoff die primäre Dekarbonisierungsroute für die Stahlproduktion werden. Die Chemieindustrie wird weiterhin auf kohlenstoffhaltige Materialien angewiesen sein, um Grundchemikalien herzustellen, könnte jedoch auf biogene und atmosphärische Kohlentstoffquellen umstellen oder auf recyclierten Kohlenstoff aus anderen Industriesektoren setzen. Eine detailliertere Analyse der verschiedenen Sektoren und ihrer Attraktivität für CCUS wird in zukünftigen Artikeln dieser Serie folgen.

Infrastruktur und Kosten

Um den Transport von abgeschiedenem CO2 zu potenziellen Speicherstandorten oder Verbrauchern zu ermöglichen, ist geeignete Infrastruktur erforderlich. Die Entwicklung der CO2-Transportinfrastruktur ist entscheidend für den Erfolg von Carbon Management, und das Tempo ihrer Entwicklung kann den gesamten Fortschritt von CCUS-Anwendungen erheblich beeinflussen. Bis 2030 sind in Deutschland erste groß angelegte CO2-Transportinfrastrukturen erforderlich. Der Transportmodus hängt dabei von Menge und dem beabsichtigten Verwendungszweck des CO2 ab. Transport per Schiene, Lastwagen, Schiff und Pipelines können geeignete Optionen sein. Pipelines sind besonders für große Industriestandorte und CCUS-Cluster geeignet, wenn erhebliche Mengen CO2 über längere Strecken zu Speicheranlagen oder anderen Industriesenken transportiert werden müssen. Für dezentrale Standorte wie Kalk- und Zementwerke muss jedoch noch der effizienteste Umgang mit abgeschiedenen CO2 gefunden werden. Die lokale Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist eine der möglichen Optionen. Ein landesweites CO2-Pipelinenetz, das alle Hauptemissionsquellen verbindet, wird sich in Deutschland voraussichtlich nicht entwickeln. Pipelines für große Industriecluster werden mittel- bis langfristig jedoch notwendig sein. Darüber hinaus arbeiten einige Öl- und Gasunternehmen bereits an der Entwicklung von Pipelines zum Export von in Deutschland abgeschiedenen CO2 zu Speicherstandorten in der Nordsee.

Die Kosten für CCS (einschließlich Abscheidung, Transport und Speicherung) sind über die verschiedenen Sektoren hinweg relativ homogen. Die derzeitige Nichtverfügbarkeit von Speicherkapazitäten in Deutschland macht eine Implementierung relativ teuer (vgl. Abbildung 3) im Vergleich zu einem Land wie dem Vereinigten Königreich, das besseren Zugang zu Speicherstandorten hat (z. B. in der Nordsee). Hohe Kosten von etwa 200 EUR/t CO2 für CCS-Anwendungen in Deutschland deuten bereits auf die Notwendigkeit von Anreiz- und Unterstützungsmechanismen hin, um das Carbon Management im industriellen Maßstab umzusetzen.

Figure 3: Durchschnittliche CCS-Kosten in EUR/t CO2 in Deutschland und im Vereinigten Königreich (Quelle: carboneer, Datenquelle: CATF, 2022)

Politiker in Deutschland müssen die Entscheidung treffen, ob erschöpfte Erdgasreservoire und saline Aquifere in Norddeutschland und unter der deutschen Nordsee geeignete CO2-Speicherstandorte sind oder ob der Export von CO2 durch internationale Kooperation und die Speicherung in der Nordsee und der Norwegischen See eine politisch akzeptablere Option darstellt.

In den kommenden Artikeln dieser Serie untersuchen wir die Attraktivität der oben genannten Industriesektoren für CCS-Anwendungen anhand von Indikatoren wie dem regulatorischen Rahmen, konkurrierenden Dekarbonisierungsoptionen und anderen sektorspezifischen Merkmalen.

Dieser Artikel basiert auf einer Studie von carboneer für den Trade Commissioner Service der Botschaft von Kanada in Deutschland.

Quellen:
CATF (2022) The cost of carbon capture and storage in Europe. Available at: https://​www.catf.us​/​ccs-​cost-​tool/​ (Accessed: 27 March 2023).

DEHSt (2022) Treibhausgasemissionen 2021: Emissionshandelspflichtige stationäre Anlagen und Luftverkehr in Deutschland (VET-Bericht 2021). Available at: https://​www.dehst.de​/​SharedDocs/​downloads/​DE/​publikationen/​VET-​Bericht-​2021.pdf​?​__blob=​publicationFile&​v=​7 (Accessed: 27 March 2023).

EEA (2022) Industrial Reporting database, May 2022, 7 March. Available at: https://​www.eea.europa.eu​/​data-​and-​maps/​data/​industrial-​reporting-​under-​the-​industrial-​6 (Accessed: 27 March 2023).

Carbon Management in Deutschland (I): plötzlich klima- und industriepolitische Notwendigkeit?

Dies ist der erste Artikel einer Serie über das Potenzial der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS) in Deutschland, die carboneer in den kommenden Wochen veröffentlichen wird.

In diesem Artikel betrachten wir die Auswirkungen eines klimaneutralen Deutschlands im Jahr 2045 auf die Nachfrage nach Kohlenstoffmanagement und CCUS. Das Thema wurde in öffentlichen Debatten lange Zeit vernachlässigt, erlebt jedoch kürzlich eine Wiederbelebung. CCUS kann zwei Zwecke erfüllen: (i) die Dekarbonisierung industrieller Anlagen unterstützen und (ii) insbesondere die chemische Industrie mit CO2 als Rohmaterial für die Produktion von Grundstoffen versorgen.

Eine kurze Geschichte der CCUS-Politik in Deutschland

Während die Erforschung großtechnischer unterirdischer CO2-Speicherung im Jahr 2004 am Pilotstandort Ketzin nahe Berlin begann, sind industrielle Kohlenstoffmanagementaktivitäten in Deutschland bis heute praktisch nicht vorhanden. Die Richtlinie der Europäischen Union zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS Directive) von 2009 legte den Rahmen für die Umsetzung entsprechender nationaler Gesetzgebung in den Mitgliedsstaaten fest. Das deutsche Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) trat im August 2012 in Kraft (vgl. Abbildung 1), schaffte jedoch keine günstigen Bedingungen für CCUS-Anwendungen.

Die Debatte um CO2-Speicherung in Deutschland war zu dieser Zeit eng mit der Fortführung der Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken verbunden und stieß auf starken öffentlichen Widerstand. Die Ausweitung der erneuerbaren Energien stand im Mittelpunkt der Treibhausgasminderung, und CCUS-Anwendungen wurden insbesondere hinsichtlich Kosten- und Sicherheitskriterien als riskant angesehen. Unter dem Einfluss allgemeiner Skepsis gegenüber CCUS erlaubte das KSpG nur Anwendungen mit Speicherkapazitäten unter 1,3 Millionen Tonnen CO2, und die meisten Bundesländer verboten die unterirdische CO2-Speicherung. Bis zum gesetzlichen Stichtag für Projektanträge Ende 2016 wurde kein einziges kommerzielles Speicherprojekt entwickelt. In Deutschland ist es daher derzeit nicht möglich, CO2 unterirdisch zu speichern, und es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Abscheidungs- und Nutzungsprojekten (CCU).

Carbon Management ist in Deutschland erst kürzlich wieder in die politische Arena zurückgekehrt. Das industriell geprägte Nordrhein-Westfalen veröffentlichte 2021 seine Kohlenstoffmanagementstrategie, und die nationale Carbon Management Strategie wird derzeit vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) entwickelt. Wir haben die Themen der nationalen Carbon Management Strategie in diesem Artikel ausführlich behandelt.

Abbildung 1: Relevante Ereignisse für Carbon Management in Deutschland (Quelle: carboneer)

Kohlenstoffmanagement als zentrale Komponente der Klimaneutralität

Mit ehrgeizigeren Klimazielen auf EU- und deutscher Ebene wird immer deutlicher, dass Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts oder gar bis 2045 ohne groß angelegte Abscheidung, Nutzung und langfristige Speicherung von CO2 nicht erreicht werden kann. Während CCUS in der deutschen politischen Entscheidungsfindung langsam an Bedeutung gewinnt, kommt die akademische Forschung einhellig zum Schluss, dass Carbon Management – also CCUS sowie Kohlenstoffentnahmen aus der Atmosphäre (Carbon Removal) – notwendig ist, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Da der Stromsektor weitgehend durch den Ausbau erneuerbarer Energien dekarbonisiert werden kann, wird der Fokus von Carbon Management in Deutschland vor allem auf dem Industriesektor liegen. Insbesondere prozessbedingte Emissionen sind schwer zu reduzieren und können in manchen Fällen nur durch CCUS verhindert werden. Abbildung 2 zeigt die Prognosen von fünf Forschungsprojekten über die Mengen und Quellen von abgeschiedenem CO2 im Jahr 2045, also wenn Deutschland Klimaneutralität anstrebt.

Abbildung 2: CO2-Abscheidung nach Anwendung und Quelle im Jahr 2045 (2050 für BMWK) (Quelle: carboneer, Datenquellen: Agora: Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021), BDI: BCG (2021), dena: Deutsche Energie-Agentur (2021), BMWK: Fraunhofer ISI et al. (2022), Ariadne: Luderer, Kost and Sörgel (2021))

Der Aufbau von Abscheidekapazitäten zwischen 35 und 70 Mt CO2 in verschiedenen Industriezweigen, also etwa 5-10 % der aktuellen deutschen Treibhausgasemissionen, erfordert gezielte und erhebliche Investitionen in den kommenden zwei Jahrzehnten. Diese Investitionen werden nur realisierbar, wenn eine entschlossene politische Entscheidung ein förderliches Investitionsumfeld sowie klare Regeln und Leitlinien zu nachfolgenden Themen schafft:

  • Anreizmechanismen für Abscheidung, Nutzung und Speicherung
  • Bereitstellung und Regulierung von Transport- und Speicherinfrastrukturen
  • Regulierung von CO2-Importen und -Exporten
  • Treibhausgas-Bilanzierung (insbesondere bei CCU-Projekten)

Vom Abfall zum Rohstoff: Wie viel Speicherbedarf für CO2 besteht tatsächlich?

Während wir in den kommenden Artikeln dieser Serie einen detaillierten Einblick in die Bedingungen und Dynamiken von CCUS in verschiedenen Industriezweigen geben, möchten wir bereits jetzt Erkenntnisse unserer Analyse vorstellen. Das technische Potenzial für die Abscheidung von CO2 in den relevanten Industrien (Stahl, Zement, Kalk, Chemikalien, Müllverbrennung) in Deutschland beträgt 40-50 Mt CO2. Hier berücksichtigen wir nur prozessbedingte Emissionen, da insbesondere die energiebedingten Emissionen durch andere Lösungen wie erneuerbare Energien, Elektrifizierung oder grünen Wasserstoff dekarbonisiert werden können und müssen.

Auf der anderen Seite wird der Bedarf an CO2 in der chemischen Industrie in Deutschland im Jahr 2045 auf etwa 50 Mt CO2 geschätzt. Dies weist bereits auf ein neues Paradigma und nötiges industrielles Ökosystem hin, in dem CO2 nicht unbedingt im Norden Deutschlands unter der Nordsee oder gar exportiert nach Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden gespeichert wird. Ganz im Gegenteil, CO2 könnte eine knappe Ressource im industriellen Kohlenstoffkreislauf werden und die Nachfrage nach CCU-Projekten erhöhen. Darüber hinaus erlaubt das aktualisierte EU-Emissionshandelssystem den regulierten Unternehmen die Verwendung von CCUS anstelle der Abgabe von Emissionsrechten. Zweifellos erhöht diese Option die Relevanz und Nachfrage nach CCUS-Anwendungen.

Die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen Politikbereichen und neuen industriellen Paradigmen ist entscheidend für ein erfolgreiches Kohlenstoffmanagement auf nationaler und EU-Ebene. Themen, die weitere Analysen erfordern, sind unter anderem:

  • Notwendige CO2-Transportkapazitäten innerhalb Deutschlands und Europas
  • Erforderliche Speicherkapazitäten in Europa
  • Qualitätskriterien von CO2 bei Transport und Nutzung
  • Synchronisierter Aufbau von Abscheidungs-, Transport- und Speicherkapazitäten
  • Entwicklung von Kohlenstoffmanagement-Clustern in der Industrie

Der nächste Artikel in dieser Serie über Carbon Management in Deutschland befasst sich mit den industriellen Emissionen, dem CCS-Potenzial in verschiedenen Branchen und den Kosten für CCS befassen. In der Zwischenzeit können Sie sich gerne mit Feedback und Fragen zum Thema an uns wenden.

Dieser Artikel basiert auf einer Studie von carboneer für den Trade Commissioner Service der Botschaft von Kanada in Deutschland.

Quellen:

BCG (2021) Klimapfade 2.0: Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft, Gutachten für den BDI. Available at: https://​web-assets.bcg.com​/​58/​57/​2042392542079ff8c9ee2cb74278/​klimapfade-​study-​german.pdf (Accessed: 25 March 2023).

Bundesregierung (2022) Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz: Drucksache 20/5145. Available at: https://​dserver.bundestag.de​/​btd/​20/​051/​2005145.pdf.

Deutsche Energie-Agentur (2021) dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Available at: https://​www.dena.de​/​fileadmin/​dena/​Publikationen/​PDFs/​2021/​Abschlussbericht_​dena-​Leitstudie_​Aufbruch_​Klimaneutralitaet.pdf (Accessed: 27 March 2023).

Fraunhofer ISI, Consentec and ifeu (2022) Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland: Modul 3: Referenzszenario und Basisszenario, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Available at: https://​www.langfristszenarien.de​/​enertile-​explorer-​en/​ (Accessed: 25 March 2023).

Luderer, G., Kost, C. and Sörgel, D. (2021) Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 – Szenarien und Pfade im Modellvergleich: PIK: Potsdam-Institut fur Klimafolgenforschung. Available at: https://​policycommons.net​/​artifacts/​1860013/​deutschland-​auf-​dem-​weg-​zur-​klimaneutralitat-​2045/​2607518/​ (Accessed: 28 March 2023).

Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021) Klimaneutrales Deutschland 2045. Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann: Zusammenfassung im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende. Available at: https://​www.agora-energiewende.de​/​veroeffentlichungen/​klimaneutrales-​deutschland-​2045 (Accessed: 25 March 2023).

Carbon Removal auf dem Weg in den Mainstream? Der EU-Zertifizierungsrahmen für Kohlenstoffentnahme

Was ist der Zertifizierungsrahmen und warum ist er notwendig?

Im Dezember 2021 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Beschluss über nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe (Sustainable Carbon Cycles), in welchem sie den Plan der EU zum Erreichen von Klimaneutralität bis 2050 unter anderem durch die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus verschiedenen Quellen präsentierte. Kernelemente sind:

  • Die Entwicklung eines Registers für die industrielle Kohlenstoffnutzung;
  • Die Festlegung eines Ziels für die Kohlenstoffbindung durch technologische Lösungen;
  • Stärkung einer klimaeffizienten Landwirtschaft zur Bindung von CO2 in Böden, um zum Ziel der Nettoentfernung von 310 Millionen Tonnen CO2-äq im Landsektor bis 2030 beizutragen.

Um die Umsetzung von Lösungen zur Kohlenstoffentnahme auszuweiten, ist es wichtig, einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung von Carbon Removal Lösungen zu schaffen. Ende 2022 hat die Europäische Kommission weitere Informationen über den vorgeschlagenen freiwilligen und EU-weiten Rahmen veröffentlicht. Dieser EU-Zertifizierungsrahmen für Kohlenstoffentnahme (Carbon Removal Certification Framework – CRCF) adressiert einige noch offene Punkte. So, soll der CRCF durch die Einführung von Standards und Zertifizierungsverfahren Vertrauen aufbauen und damit Lösungen für die Kohlenstoffentnahme fördern, Konzepte für eine klimaeffiziente Landwirtschaft (carbon farming) unterstützen, und Greenwashing verhindern. Ebenso soll die Fähigkeit der EU zur Messung, Überwachung und Überprüfung von Kohlenstoffentnahmen gewährleistet sein und Finanzierungsmöglichkeiten aus öffentlichen und privaten Quellen angereizt werden.

Unter dem vorgeschlagenen Rahmen können Carbon Removal Projekte sowohl einen naturbasierten oder technologischen Ansatz verfolgen. Auch die Zertifizierung einer Kohlenstoffspeicherung in langlebigen Produkten oder Materialien ist möglich. Abbildung 1 gibt einen Überblick über verschiedene Methoden der Kohlenstoffentnahme, ihre konkrete Umsetzung und das finale Speichermedium für CO2.

Abbildung 1: Taxonomie der Kohlenstoffabscheidung (Quelle: IPCC)

Wichtig ist, dass Projekte zur Entnahme von Kohlenstoff im Rahmen der EU-Zertifizierung die QU.A.L.ITY-Kriterien erfüllen müssen. Sie müssen also:

  • QUantifizierbar und QUantifiziert sein;
  • Zusätzlichkeit (Additionality) zu den bestehenden Klimaeffekten aufweisen;
  • Langfristige Speicherung anstreben;
  • Zu weiteren Nachhaltigkeitszielen (sustainabilITY) beitragen.

In Anbetracht der häufigen Kritik an den Methoden und Praktiken an den freiwilligen CO2-Märkten ist die Schaffung eines Rechtsrahmens für Carbon Removal Aktivitäten von entscheidender Bedeutung. Diese Kritik bezieht sich häufig auf den Mangel an Aufsicht, Transparenz, Vertrauenswürdigkeit und Klimawirkung (Zusätzlichkeit) der Projekte und Zertifikate auf diesem Markt. All dies kann zu erheblichen Problemen für Unternehmen führen, die sich auf freiwillige CO2-Zertifikate verlassen, um Emissionen im Rahmen ihrer Klimastrategie auszugleichen oder zu neutralisieren, wie eine kürzlich durchgeführte Recherche gezeigt hat. Ein regulierter Markt hingegen könnte Vertrauen wiederherstellen, und auch sicherstellen, dass alle Projekte denselben Regeln in Bezug auf Buchführung, Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung unterworfen sind.

Wie würde der EU-Zertifizierungsrahmen funktionieren?

Der Zertifizierungsrahmen wird auf Kriterien und Zertifizierungsmethoden (Certification methodologies) beruhen, die von der EU-Kommission mit Unterstützung einer Expertengruppe entwickelt und voraussichtlich im Jahr 2024 veröffentlicht werden. Die Kommission erkennt dann private oder öffentliche Zertifizierungssysteme (Certification schemes) an, die Aktivitäten der Kohlenstoffentnahme registrieren, Audits und Zertifikate kontrollieren, öffentliche Register führen und auch die Carbon Removal Zertifikate ausstellen. Akteure (Operators), die Kohlenstoffentnahmen durchführen, wie etwa Landwirte, Biokohleproduzenten oder BECCS-Kraftwerksbetreiber, müssen von akkreditierten privaten Zertifizierungsstellen (Certification bodies) anhand der standardisierten Zertifizierungsmethoden auditiert werden. Erst nach einem erfolgreichen Audit und der Anerkennung durch das Zertifizierungssystem wird die Aktivität und die Kohlenstoffentnahme eines Akteurs zertifiziert (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Funktionsprinzip des Zertifizierungssystems (angepasst nach EU-Kommission)

Der aktuelle Vorschlag würde es der EU-Kommission erlauben, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die verschiedenen technischen Zertifizierungsmethoden festzulegen und die Regeln für die Zertifizierung und Anerkennung von Zertifizierungssystemen zu harmonisieren. Da es sich bei der Kohlenstoffentnahme um ein neues und sich rasch entwickelndes Feld handelt, müssen mit der Zeit sicherlich neue Zertifizierungsmethoden entwickelt werden.

Die nächsten Schritte zur Entwicklung der Methoden

Noch hat die EU-Kommission keine detaillierten Methoden oder Kriterien für die Kohlenstoffentnahme entwickelt. In den kommenden Monaten wird sich die externe Expertengruppe mit verschiedenen Carbon Removal Aktivitäten beschäftigen (die erste Sitzung fand am 7. März 2023 statt). Die Methodiken für eine klimaeffizienten Landwirtschaft (carbon farming) wird das Thema der nächsten Sitzung am 21. und 22. Juni 2023 sein werden. Der Zeitplan für die kommenden Sitzungen der Expertengruppe ist in Abbildung 3 dargestellt (Quelle: EU-Kommission).

Abbildung 3: Anstehende Sitzungen der Expertengruppe zur Kohlenstoffentnahme (Quelle: EU Kommission)

Der Vorschlag der Kommission muss auch vom Europäischen Parlament und vom Rat im Rahmen eines normalen Gesetzgebungsverfahrens angenommen werden. Ende April 2023 veröffentlichte der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments seine erste Antwort mit Änderungsvorschlägen zum CRCF. Die Verbesserung der Überwachungs-, Haftungs- und Transparenzmechanismen und der Fokus auf langfristiges Carbon Removal sind für das Parlament prioritär, um qualitativ minderwertige Projekte zu verhindern. Die Antwort des Parlaments tritt für eine dauerhafte Kohlenstoffspeicherung auch außerhalb der EU-Mitgliedstaaten ein, sofern der Kohlenstoff in der EU entnommen und nach ähnlichen Regeln wie in der EU gespeichert wird. Dies würde den Weg für eine Berücksichtigung der geologischen Speicherung in Ländern wie Norwegen oder Island öffnen.

Unsere Einschätzung und zu lösende Herausforderungen

Der Vorschlag des EU-Zertifizierungsrahmens ist grundlegend zu begrüßen. Er gehört zu den ersten derartigen Zertifizierungsrahmen weltweit und betont die Notwendigkeit von Klimapolitik zur Förderung von Kohlenstoffentnahmen. Gleichzeitig setzt er auf Erfahrungen bestehender freiwilliger Kohlenstoffmärkte und fordert eine strenge und transparente Regulierungsaufsicht über die Zertifizierung von Carbon Removal Aktivitäten. Es müssen jedoch noch einige Fragen geklärt werden, um sicherzustellen, dass ein positiver Klimaeffekt von Carbon Removal im Rahmen des CRCF tatsächlich zum Tragen kommen kann: Die Kohlenstoffentnahmen durch naturbasierte Lösungen können kurzlebig sein, so dass die Klimaauswirkungen hier schnell wieder rückgängig gemacht sein könnten. Darüber hinaus ist noch unklar, wie mit den unterschiedlichen Risiken der Umkehrbarkeit der Kohlenstoffentnahme je nach Carbon Removal Tätigkeit umgegangen werden soll und welcher Akteur letztendlich (finanziell) verantwortlich sein wird.

Da es derzeit an Details zu den Methoden für die unterschiedlichen Carbon Removal Aktivitäten und auch entsprechenden Zertifizierungssystemen mangelt, sollte die EU-Kommission zusammen mit der Expertengruppe maßgeschneiderte Regeln für die verschiedenen Aktivitäten entwickeln. Besonders die Fragen der Umkehrbarkeit und der Haftungsmechanismen müssen dabei bedacht werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Regeln und Methodiken in transparenter und kooperativer Weise unter Einbeziehung der Interessengruppen aus der gesamten Carbon Removal Branche entwickelt werden. Nur so ist sichergestellt, dass langfristige Lösungen der Kohlenstoffentnahme wirksam unterstützt werden und gleichzeitig klare Leitlinien für Haftung und Risikomanagement bestehen.

Sprechen Sie uns an, wenn Sie mehr über die vorgeschlagene Verordnung erfahren möchten und wissen wollen, wie sie sich auf Ihr Geschäftsmodell oder Ihre Kompensationsstrategie auswirkt.

Carbon Management und CCU/S in Deutschland

Die deutsche Bundesregierung erarbeitet zum Thema CO2-Speicherung und Nutzung derzeit eine Carbon Management Strategie. Denn, unstreitbar ist: Ohne die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 aus industriellen Prozessen (CCU/S) und der Atmosphäre kann Deutschland bis 2045 kaum klimaneutral werden. Grundlage für die Carbon Management Strategie ist unter anderem der neue Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. In diesem Beitrag erläutern wir die wichtigsten Eckpunkte und Grundsätze einer solchen Strategie.  

Die CCU/S Nomenklatur

In Sinne einer einheitlichen Nomenklatur verwenden wir im Folgenden den Begriff Carbon Management als Überbegriff für den Umgang mit Kohlenstoff, der sowohl CO2-Abscheidung-, Transport- und Nutzung (CCU) oder -speicherung (CCS) von fossilen als auch biologischen oder atmosphärischen Quellen als Negativemissionen oder Carbon Dioxide Removal (BECCS und DACCS) beinhaltet. Ebenso ist der Umgang mit weiteren naturbasierten Lösungen zur Entnahme und Reduktion von Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre Teil des Carbon Managements (vergleiche Abbildung 1).

Diagram

Description automatically generated
Abbildung 1: Quellen und Senken von CO2-Emissionen der verschiedenen Bestandteile von Carbon Management (Quelle: carboneer)

Die Auswirkung auf das Klima und die technischen und ökonomischen Details der unterschiedlichen Technologien und Möglichkeiten sind komplex und bedürfen detaillierter Untersuchungen. Wenden Sie sich bei Interesse gerne an uns.

Carbon Management für Klimaneutralität notwendig

Anfang Januar 2023 reiste der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Norwegen, um dort weitere Kooperationen im Bereich Energie und Klima auszuloten. Ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit mit Norwegen soll dabei unter anderem das Thema Abscheidung-, Transport-, und Speicherung von CO2 werden. Im Zuge der verschärften Klimaziele auf EU und deutscher Ebene wird immer klarer, dass Treibhausgas- oder gar Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts ohne großtechnische Abscheidung, Nutzung und vor allem langfristige Speicherung von CO2 nicht zu erreichen sein wird. 

Gleichzeitig hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Dezember 2022 den Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) veröffentlicht. Das KSpG trat im August 2012 in Kraft und sollte erste Demonstrationsprojekte zur langfristigen Speicherung von CO2 im Erdboden in Deutschland erproben. Die Akzeptanz für die Speicherung von CO2 in Deutschland war in der Vergangenheit stets sehr gering, insbesondere da der Diskurs stark mit dem Einsatz von CO2-Abscheidung an Kohlekraftwerken und deren Weiterbetrieb verbunden war. Bis zum Ende der Frist zur Antragstellung für die Genehmigung neuer unterirdischer CO2-Speicher (Ende 2016) wurde jedoch nur ein Demonstrationsprojekt in Deutschland beantragt und gebaut. Da nach Ende 2016 keine neuen Anträge eingereicht werden können, ist die CO2-Speicherung im gesamten Bundesgebiet de facto nicht möglich. 

CO2-Abscheidung für Restemissionen in der Industrie

In Zukunft soll der Einsatz von CCS an Kohlekraftwerken in Deutschland aufgrund des geplanten Kohleausstiegs keine Rolle spielen, hingegen wird die Abscheidung-, Nutzung-, oder Speicherung von CO2 vor allem für eine klimaneutrale Industrie benötigt. So werden auch nach Einsatz erneuerbarer Energien oder Elektrifizierung große Mengen an prozessbedingte CO2-Emissionen etwa in der Kalk- und Zementindustrie oder in der Stahlindustrie anfallen. Ebenso ist Kohlenstoff die Ausgangsbasis für viele weitere wichtige Erzeugnisse in der Chemieindustrie und wird daher auch als Rohstoff benötigt. Im Projekt Langfristszenarien wird von etwa 30 Millionen Tonnen CO2 ausgegangen, die von industriellen Anlagen in Deutschland auch nach Erreichen der Klimaneutralität in 2045 abgeschieden, transportiert, wiederverwendet oder endgelagert werden müssen. Mögliche Standorte der Abscheidungsanlagen und Transportpipelines für CO2 sind in Abbildung 2 dargestellt.

Diagram

Description automatically generated
Abbildung 2: Mögliche CO2-Senken,- Quellen und -Netz in Deutschland in 2045 (Quelle: Langfristszenarien)

Hierbei fällt auf, dass sich in den Kerngebieten der deutschen Grundstoff- und Schwerindustrie Cluster von CCU/S-Standorten ansiedeln. Diese Clusterbildung ist vor allem ökonomischen Skaleneffekte für Infrastrukturen zur Abscheidung, dem Transport aber auch der potenziellen Wiederverwendung von CO2 geschuldet. Fokus der deutschen Carbon Management Strategie wird demnach vor allem auf dem Industriesektor und nicht auf der Abscheidung bei Kohleverstromung liegen.

Neben der Abscheidung von CO2 an industriellen Quellen muss jedoch auch der Einsatz von Carbon Removal Lösungen, also der physischen Entnahme von CO2-Emissionen aus der Atmosphäre forciert werden. Denn nur dadurch können auch die in 2045 weiterhin auftretenden Treibhausgasemissionen etwa aus der Landwirtschaft ausgeglichen werden. Die dafür notwendigen Negativemissionen liegen mit 45-80 Millionen Tonnen CO2 sogar auf einem höheren Niveau als die CO2-Abscheidungen in der Industrie. Wir haben die Details dazu hier und hier dargestellt.

Wichtige Grundsätze der deutschen Carbon Management Strategie

Dem Einsatz von CCU/S in der Industrie wird neben der Energie- und Ressourceneffizienz sowie dem Einsatz grüner Energieträger und der Elektrifizierung von Prozessen eine Rolle als Dekarbonisierungsoption zukommen. Wichtige Erkenntnisse aus den jüngsten Klimaneutralitätsstudien (Klimaneutrales Deutschland 2045, Klimapfade 2.0, dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität, Langfristszenarien) lassen folgende Einschätzungen zu:

  • Steigerung des Ambitionsniveau der Klimaziele führt zu verstärktem Einsatz von CCU/S
  • CO2-Abscheidung im Millionen Tonnen Bereich schon ab 2030 notwendig
  • Einsatz von CCS vor allem in der Industrie und dem Abfallsektor
  • Negativemissionen durch Carbon Dioxide Removal müssen spätestens ab 2030 skaliert werden
  • Die Permanenz der CO2-Entnahme und Speicherung durch naturbasierte Methoden ist unsicher und macht daher technische Lösungen ebenfalls notwendig
  • Fossiles CCU/S und technisches Carbon Dioxide Removal können gleiche Infrastrukturen nutzen und sollten integriert betrachtet werden
  • Transparenter und kontinuierlicher Dialog notwendig um gesellschaftliche Akzeptanz für den Hochlauf von CCU/S sicherzustellen
  • Erhebliche Mengen der CO2-Abscheidung auf globaler Ebene (6-12 Gt/Jahr je nach Szenario) auch durch CCS an fossilen Kraftwerken getrieben 

Der kürzlich veröffentlichte Evaluierungsbericht zum KSpG gibt der Bundesregierung folgende wesentlich Empfehlungen für die Überarbeitung mit: Prüfung und Anpassung von Regelungen des (grenzüberschreitenden) Transports von CO2 und bezüglich deutscher Endlagerstätten für CO2, die weitere Integration von CCU/S in das europäische Emissionshandelssystem (EU EHS), und die Entwicklung eines klaren Rahmens zur Bilanzierung von Negativemissionen. Die Details sollen in einer deutschen Carbon Management Strategie (Abbildung 3) durch die Bundesregierung herausgearbeitet und im Laufe des Jahres 2023 vorgestellt werden. 

Abbildung 3: Grundpfeiler für Carbon Management in Deutschland (Quelle: Bundesregierung)

Welche Themen müssen geklärt werden?

Im Zuge der deutschen Carbon Management Strategie soll zuerst eine Priorisierung von CCU/S Anwendungen erarbeitet werden. Dabei muss die Frage beantwortet werden, in welchen Industrien und welche Emissionen CCU/S-Maßnahmen am wichtigsten sind, um Ressourcen passgenau zu nutzen. Dies soll einhergehen mit der Anpassung der entsprechenden Regulatorik, etwa für Genehmigungsverfahren sowie der Entwicklung und Finanzierung von (Transport)Infrastrukturen. Auch Maßnahmen und Förderprogramme in speziellen Anwendungsgebieten sollen entwickelt werden.

Methodiken zum Monitoring, Reporting und Verifikation (MRV) für CCU/S müssen erarbeitet werden. So muss die Anrechnung von CCU/S im EU EHS und die Bilanzierung bei Verwendung von CO2 aus verschiedenen Quellen (fossil, industrieller Kreislauf, biogen, aus der Atmosphäre) in der chemischen Industrie und bei Herstellung von synthetischen Kraftstoffen geklärt werden.

Besonders die Möglichkeit des grenzüberschreitenden CO2-Transports wird EU-weit eine große Rolle spielen. Die norwegische Regierung hat diesbezüglich schon Angebote zur Speicherung von CO2 an die EU-Industrie herangetragen. Die Auslegung der Pipeline- und Schiffskapazitäten sowie Fragen der Netzregulierung und Finanzierung auf EU-Ebene sind dabei wichtige Themen. Die Synergieeffekte von CCU/S-Clustern zwischen Industrien als Quellen und Senken von CO2 müssen eruiert werden, um bei der Planung von Infrastrukturen die effizientesten Lösungen zu finden. 

Damit mögliche CO2-Speicher auch auf deutschem Gebiet (voraussichtlich eher unter dem Meeresboden als unter dem Festland) Realität werden, muss gesellschaftliche Akzeptanz für die Abscheidung und Endlagerung von CO2 aufgebaut werden. Dies kann nur durch klare und transparente Kommunikation bezüglich der Notwendigkeit von CCU/S für ein klimaneutrales Europa und Deutschland geschehen.  

Wir halten Sie bezüglich der aktuellen Entwicklungen zur deutschen Carbon Management Strategie auf dem Laufenden. Kontaktieren Sie uns gerne bei Fragen zum Thema. 

Größtes Update des EU-Emissionshandels seit Jahren, Teil II: EU EHS II, Einnahmen und Fazit

Ein Großteil der Klimaambitionen der EU hängt vom Europäischen Emissionshandelssystem (EU EHS) ab. Im Dezember 2022 erzielten der Europäische Rat und das Europäische Parlament wichtige Einigungen über die „Fit for 55“-Vorschläge. Konkret geht es um neue Regeln für das bestehende EU-Emissionshandelssystem (EU EHS I), die Einführung eines CO2-Grenzausgleichmechanismus (carbon border adjustment mechanism – CBAM) und die Einführung eines neuen EU-Emissionshandelssystems für Emissionen aus Gebäuden und dem Straßenverkehr. Mit der Umsetzung dieser Änderungen kann die EU ihren Klimazielen für 2030 ein gutes Stück näherkommen, aber es bleiben Fragezeichen. 

Im ersten Teil dieser Reihe haben wir uns mit den Änderungen für das EU EHS I, den kostenlosen Zuteilungen und CBAM beschäftigt. In diesem zweiten Artikel beleuchten wir das neue EU EHS II für den Straßenverkehr und Gebäude sowie die Verwendung der Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten durch die Regierungen.

Das EU EHS II: Bepreisung von CO2-Emissionen von Gebäuden, Straßenverkehr und Kraftstoffen in anderen Sektoren  

Ein neues und separates Emissionshandelssystem soll für Emissionen eingeführt werden, die derzeit noch nicht in der gesamten EU bepreist werden. Dieses EU EHS II wird Emissionen aus dem Gebäudesektor, dem Straßenverkehr und der Verwendung von Kraftstoffen in anderen, noch nicht definierten Sektoren umfassen. Das EU EHS II wird jedoch frühestens ab 2027 in Kraft treten, und der Start könnte bei Auftreten von hohen Energiepreise später in diesem Jahrzehnt sogar bis 2028 verschoben werden. Es sind allerdings noch nicht alle Details des neuen Systems ausgearbeitet. Mitgliedstaaten können etwa Brennstofflieferanten vom EU EHS II ausnehmen, wenn ein nationales System existiert, das dem EU-System preislich entspricht oder darüber hinausgeht (siehe Abbildung 1 für den Zeitplan der Umsetzung des EU EHS II).

Abbildung 1: Zeitplan für die Umsetzung des EU EHS II (Quelle: carboneer)

Dies führt zu weiteren wichtigen, noch nicht vollständig geklärten Aspekten: Ab 2024 soll ein Emissionsminderungspfad mit einem hohen jährlichen linearen Reduktionsfaktor (LRF) von mehr als 5 % gelten, um bis 2030 eine Gesamtemissionsminderung der verpflichteten Sektoren von etwa 60 % gegenüber 2005 zu erreichen. Das EU EHS II wird jedoch erst ab 2027 Emissionen bepreisen. Weiterhin sollen zusätzliche Zertifikate in den Markt gegeben werden und das Angebot erhöhen, sobald die Preise für Emissionszertifikate im Rahmen des EU EHS II über einen bestimmten Zeitraum hinweg über 45 EUR/Tonne liegen. 

Tatsächlich wird das EU EHS II in der jetzt verhandelten Form zumindest bis 2030 eher einer Steuer auf Emissionen mit einem Höchstpreis von 45 EUR/Tonne ähneln. Nach dem Jahr 2030 ist keine Preisobergrenze mehr vorgesehen. Ein niedriger Preis von nur 45 EUR/Tonne  läge jedoch weit unter den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten, die im Gebäude- und Straßenverkehrssektor zwischen 100-300 EUR/Tonne liegen. Es liegt auf der Hand, dass das Preissignal im EU EHS II nicht hoch genug sein wird, um allein Anreize zur Einführung treibhausgasarmer Technologien zu schaffen. 

Bei all diesen ehrgeizigen Zielen und neuen Preisregelungen ist eine Frage natürlich sehr wichtig: Wohin werden die Gelder aus EU EHS I, CBAM und EU EHS II fließen, und wofür werden sie verwendet? 

Auktionserlöse nur für Klima- und Sozialmaßnahmen

Die Allokation von Einnahmen für den bestehende Innovationsfonds zur Unterstützung der industriellen Dekarbonisierung wird von derzeit 450 Millionen auf 575 Millionen Emissionszertifikate (EUA) aufgestockt. Bei einem durchschnittlichen EUA-Preis von 90 EUR/Tonne entspricht dies einem Geldwert von mehr als 50 Milliarden EUR, welche in Dekarbonisierungsprojekte fließen sollen. Darüber hinaus müssen die Einnahmen der EU-Mitgliedsstaaten aus den Auktionserlösen vollständig für Klimamaßnahmen verwendet werden. Der Modernisierungsfonds für weniger wohlhabende Mitgliedsstaaten erlaubt jedoch immer noch bestimmte Investitionen in fossile Infrastrukturen.

Eine der größten Sorgen des Europäischen Parlaments war, dass die Einführung des EU EHS II vor allem wirtschaftlich schwächere Staaten und Bürger treffen wird. Daher sieht die aktuelle Einigung vor, dass die Hälfte der Einnahmen aus dem EU EHS II dem neu eingeführten Sozialen Klimafonds zugeführt wird. Dieser soll sozial schwache Haushalte und kleine Unternehmen bei der Bewältigung des Preisanstiegs von Brennstoffen durch die Emissionsbepreisung unterstützen. Der Fonds soll bereits 2026, ein Jahr vor Beginn der eigentlichen Bepreisung, seine Arbeit aufnehmen und ist zunächst bis 2032 angelegt. Er soll über ein Budget von rund 65 Milliarden EUR verfügen und die Mittel sollen für soziale Klimamaßnahmen wie der Renovierung von Sozialwohnungen oder direkten Einkommensbeihilfen verwendet werden. Die restlichen 50 % der Einnahmen gehen an die EU-Nationalstaaten, die das Geld auch für soziale Klimamaßnahmen im Gebäude- und Verkehrssektor verwenden müssen. Insgesamt werden damit geschätzt 87 Milliarden EUR bereitgestellt, um soziale Härten durch eine umfassendere Emissionsbepreisung zu verringern. Das hört sich nach einer riesigen Summe an, wird aber von den Ausgaben zur Linderung der aktuellen fossilen Energiepreiskrise in den Schatten gestellt: Allein Deutschland hat dafür bis zu 200 Milliarden EUR für Verbraucher in Aussicht gestellt.  

Was ist von all den Neuerungen zu halten?

Die Komplexität des EU-Emissionshandels wird durch Aufnahme zusätzlicher Sektoren, der schrittweisen Abschaffung der kostenlosen Zuteilungen, der Bepreisung von Importen über CBAM  und das neue EU EHS II für Sektoren, die derzeit überhaupt nicht bepreist werden sicherlich zunehmen. Abbildung 2 gibt einen Überblick über den gesamten Zeitplan für die Umsetzung der wichtigsten Änderungen. 

Chart

Description automatically generated with medium confidence

Abbildung 2: Zeitplan für die Umsetzung der wichtigsten Änderungen an den europäischen Emissionshandelssystemen (Quelle: carboneer)

Akteure aus allen Sektoren müssen schon heute handeln, um zu verstehen, welchen Risiken sie durch die neuen Vorschriften und Emissionsbepreisungen ausgesetzt sind und wie sie sich darauf vorbereiten können. Unsere sieben wichtigsten Schlussfolgerungen sind die folgenden:

  1. Falls umgesetzt, haben die ehrgeizigeren Ziele des EU EHS I das Potenzial, die EU ihren Klimazielen für 2030 näherzubringen.
  1. Die schrittweise Abschaffung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für die Industrie bedeutet für die Akteure ein viel höheres Emissionspreisrisiko und „echte“ Anreize zur Dekarbonisierung der Industrie.
  1. Die Umsetzung von CBAM schafft Anreize für Klimamaßnahmen in Nicht-EU-Ländern, wird aber gleichzeitig auch für viel Verwirrung sorgen in Bezug auf die Messung, Berichterstattung und Überprüfung (MRV) von Treibhausgasen. Ebenso müssen Importeure auch das EU EHS I verstehen und schon jetzt mit Risiko- und Preisabsicherung beginnen.
  1. Bis 2026 wird das Angebot an Emissionszertifikaten im EU EHS I ausreichend bleiben, während die vollständige Umsetzung mehrerer Mechanismen ab 2027 zu höheren Preisen und einem geringeren Angebot an Zertifikaten führen wird.
  1. CO2-Preise von über 100 EUR/Tonne im EU EHS I werden in diesem Jahrzehnt das neue Normal, insbesondere wenn sich die makroökonomische Lage wieder stabilisiert. 
  2. Die Umsetzung des EU EHS II ist mit einer Preisobergrenze von 45 EUR/Tonne weniger ehrgeizig und wird die Dekarbonisierung in den fraglichen Sektoren wahrscheinlich nicht vor 2030 vorantreiben. 
  1. Das EU EHS II wird jedoch eine gemeinsame Grundlage für die Bepreisung von Emissionen in anderen Sektoren in der EU bieten und etwa 75 % der Emissionen aller Mitgliedsstaaten in ein Bepreisungssystem einbeziehen. 

Sprechen Sie uns an, wenn Sie mehr über das Thema erfahren möchten. carboneer unterstützt Sie in allen Fragen zu den bestehenden und kommenden Emissionshandelssystemen in der EU.