Carbon Management und CCU/S in Deutschland

Die deutsche Bundesregierung erarbeitet zum Thema CO2-Speicherung und Nutzung derzeit eine Carbon Management Strategie. Denn, unstreitbar ist: Ohne die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 aus industriellen Prozessen (CCU/S) und der Atmosphäre kann Deutschland bis 2045 kaum klimaneutral werden. Grundlage für die Carbon Management Strategie ist unter anderem der neue Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. In diesem Beitrag erläutern wir die wichtigsten Eckpunkte und Grundsätze einer solchen Strategie.  

Die CCU/S Nomenklatur

In Sinne einer einheitlichen Nomenklatur verwenden wir im Folgenden den Begriff Carbon Management als Überbegriff für den Umgang mit Kohlenstoff, der sowohl CO2-Abscheidung-, Transport- und Nutzung (CCU) oder -speicherung (CCS) von fossilen als auch biologischen oder atmosphärischen Quellen als Negativemissionen oder Carbon Dioxide Removal (BECCS und DACCS) beinhaltet. Ebenso ist der Umgang mit weiteren naturbasierten Lösungen zur Entnahme und Reduktion von Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre Teil des Carbon Managements (vergleiche Abbildung 1).

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Abbildung 1: Quellen und Senken von CO2-Emissionen der verschiedenen Bestandteile von Carbon Management (Quelle: carboneer)

Die Auswirkung auf das Klima und die technischen und ökonomischen Details der unterschiedlichen Technologien und Möglichkeiten sind komplex und bedürfen detaillierter Untersuchungen. Wenden Sie sich bei Interesse gerne an uns.

Carbon Management für Klimaneutralität notwendig

Anfang Januar 2023 reiste der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Norwegen, um dort weitere Kooperationen im Bereich Energie und Klima auszuloten. Ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit mit Norwegen soll dabei unter anderem das Thema Abscheidung-, Transport-, und Speicherung von CO2 werden. Im Zuge der verschärften Klimaziele auf EU und deutscher Ebene wird immer klarer, dass Treibhausgas- oder gar Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts ohne großtechnische Abscheidung, Nutzung und vor allem langfristige Speicherung von CO2 nicht zu erreichen sein wird. 

Gleichzeitig hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Dezember 2022 den Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) veröffentlicht. Das KSpG trat im August 2012 in Kraft und sollte erste Demonstrationsprojekte zur langfristigen Speicherung von CO2 im Erdboden in Deutschland erproben. Die Akzeptanz für die Speicherung von CO2 in Deutschland war in der Vergangenheit stets sehr gering, insbesondere da der Diskurs stark mit dem Einsatz von CO2-Abscheidung an Kohlekraftwerken und deren Weiterbetrieb verbunden war. Bis zum Ende der Frist zur Antragstellung für die Genehmigung neuer unterirdischer CO2-Speicher (Ende 2016) wurde jedoch nur ein Demonstrationsprojekt in Deutschland beantragt und gebaut. Da nach Ende 2016 keine neuen Anträge eingereicht werden können, ist die CO2-Speicherung im gesamten Bundesgebiet de facto nicht möglich. 

CO2-Abscheidung für Restemissionen in der Industrie

In Zukunft soll der Einsatz von CCS an Kohlekraftwerken in Deutschland aufgrund des geplanten Kohleausstiegs keine Rolle spielen, hingegen wird die Abscheidung-, Nutzung-, oder Speicherung von CO2 vor allem für eine klimaneutrale Industrie benötigt. So werden auch nach Einsatz erneuerbarer Energien oder Elektrifizierung große Mengen an prozessbedingte CO2-Emissionen etwa in der Kalk- und Zementindustrie oder in der Stahlindustrie anfallen. Ebenso ist Kohlenstoff die Ausgangsbasis für viele weitere wichtige Erzeugnisse in der Chemieindustrie und wird daher auch als Rohstoff benötigt. Im Projekt Langfristszenarien wird von etwa 30 Millionen Tonnen CO2 ausgegangen, die von industriellen Anlagen in Deutschland auch nach Erreichen der Klimaneutralität in 2045 abgeschieden, transportiert, wiederverwendet oder endgelagert werden müssen. Mögliche Standorte der Abscheidungsanlagen und Transportpipelines für CO2 sind in Abbildung 2 dargestellt.

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Abbildung 2: Mögliche CO2-Senken,- Quellen und -Netz in Deutschland in 2045 (Quelle: Langfristszenarien)

Hierbei fällt auf, dass sich in den Kerngebieten der deutschen Grundstoff- und Schwerindustrie Cluster von CCU/S-Standorten ansiedeln. Diese Clusterbildung ist vor allem ökonomischen Skaleneffekte für Infrastrukturen zur Abscheidung, dem Transport aber auch der potenziellen Wiederverwendung von CO2 geschuldet. Fokus der deutschen Carbon Management Strategie wird demnach vor allem auf dem Industriesektor und nicht auf der Abscheidung bei Kohleverstromung liegen.

Neben der Abscheidung von CO2 an industriellen Quellen muss jedoch auch der Einsatz von Carbon Removal Lösungen, also der physischen Entnahme von CO2-Emissionen aus der Atmosphäre forciert werden. Denn nur dadurch können auch die in 2045 weiterhin auftretenden Treibhausgasemissionen etwa aus der Landwirtschaft ausgeglichen werden. Die dafür notwendigen Negativemissionen liegen mit 45-80 Millionen Tonnen CO2 sogar auf einem höheren Niveau als die CO2-Abscheidungen in der Industrie. Wir haben die Details dazu hier und hier dargestellt.

Wichtige Grundsätze der deutschen Carbon Management Strategie

Dem Einsatz von CCU/S in der Industrie wird neben der Energie- und Ressourceneffizienz sowie dem Einsatz grüner Energieträger und der Elektrifizierung von Prozessen eine Rolle als Dekarbonisierungsoption zukommen. Wichtige Erkenntnisse aus den jüngsten Klimaneutralitätsstudien (Klimaneutrales Deutschland 2045, Klimapfade 2.0, dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität, Langfristszenarien) lassen folgende Einschätzungen zu:

  • Steigerung des Ambitionsniveau der Klimaziele führt zu verstärktem Einsatz von CCU/S
  • CO2-Abscheidung im Millionen Tonnen Bereich schon ab 2030 notwendig
  • Einsatz von CCS vor allem in der Industrie und dem Abfallsektor
  • Negativemissionen durch Carbon Dioxide Removal müssen spätestens ab 2030 skaliert werden
  • Die Permanenz der CO2-Entnahme und Speicherung durch naturbasierte Methoden ist unsicher und macht daher technische Lösungen ebenfalls notwendig
  • Fossiles CCU/S und technisches Carbon Dioxide Removal können gleiche Infrastrukturen nutzen und sollten integriert betrachtet werden
  • Transparenter und kontinuierlicher Dialog notwendig um gesellschaftliche Akzeptanz für den Hochlauf von CCU/S sicherzustellen
  • Erhebliche Mengen der CO2-Abscheidung auf globaler Ebene (6-12 Gt/Jahr je nach Szenario) auch durch CCS an fossilen Kraftwerken getrieben 

Der kürzlich veröffentlichte Evaluierungsbericht zum KSpG gibt der Bundesregierung folgende wesentlich Empfehlungen für die Überarbeitung mit: Prüfung und Anpassung von Regelungen des (grenzüberschreitenden) Transports von CO2 und bezüglich deutscher Endlagerstätten für CO2, die weitere Integration von CCU/S in das europäische Emissionshandelssystem (EU EHS), und die Entwicklung eines klaren Rahmens zur Bilanzierung von Negativemissionen. Die Details sollen in einer deutschen Carbon Management Strategie (Abbildung 3) durch die Bundesregierung herausgearbeitet und im Laufe des Jahres 2023 vorgestellt werden. 

Abbildung 3: Grundpfeiler für Carbon Management in Deutschland (Quelle: Bundesregierung)

Welche Themen müssen geklärt werden?

Im Zuge der deutschen Carbon Management Strategie soll zuerst eine Priorisierung von CCU/S Anwendungen erarbeitet werden. Dabei muss die Frage beantwortet werden, in welchen Industrien und welche Emissionen CCU/S-Maßnahmen am wichtigsten sind, um Ressourcen passgenau zu nutzen. Dies soll einhergehen mit der Anpassung der entsprechenden Regulatorik, etwa für Genehmigungsverfahren sowie der Entwicklung und Finanzierung von (Transport)Infrastrukturen. Auch Maßnahmen und Förderprogramme in speziellen Anwendungsgebieten sollen entwickelt werden.

Methodiken zum Monitoring, Reporting und Verifikation (MRV) für CCU/S müssen erarbeitet werden. So muss die Anrechnung von CCU/S im EU EHS und die Bilanzierung bei Verwendung von CO2 aus verschiedenen Quellen (fossil, industrieller Kreislauf, biogen, aus der Atmosphäre) in der chemischen Industrie und bei Herstellung von synthetischen Kraftstoffen geklärt werden.

Besonders die Möglichkeit des grenzüberschreitenden CO2-Transports wird EU-weit eine große Rolle spielen. Die norwegische Regierung hat diesbezüglich schon Angebote zur Speicherung von CO2 an die EU-Industrie herangetragen. Die Auslegung der Pipeline- und Schiffskapazitäten sowie Fragen der Netzregulierung und Finanzierung auf EU-Ebene sind dabei wichtige Themen. Die Synergieeffekte von CCU/S-Clustern zwischen Industrien als Quellen und Senken von CO2 müssen eruiert werden, um bei der Planung von Infrastrukturen die effizientesten Lösungen zu finden. 

Damit mögliche CO2-Speicher auch auf deutschem Gebiet (voraussichtlich eher unter dem Meeresboden als unter dem Festland) Realität werden, muss gesellschaftliche Akzeptanz für die Abscheidung und Endlagerung von CO2 aufgebaut werden. Dies kann nur durch klare und transparente Kommunikation bezüglich der Notwendigkeit von CCU/S für ein klimaneutrales Europa und Deutschland geschehen.  

Wir halten Sie bezüglich der aktuellen Entwicklungen zur deutschen Carbon Management Strategie auf dem Laufenden. Kontaktieren Sie uns gerne bei Fragen zum Thema. 

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