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Auswirkungen des CO2-Grenzausgleichsystems (CBAM) auf den Eisen- und Stahlsektor

Am 1. Oktober 2023 trat das CO₂-Grenzausgleichsystem (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM) in Kraft. Als Maßnahme zur Begrenzung der Verlagerung von CO₂-Emissionen (Carbon Leakage) ergänzt das Instrument das Europäische Emissionshandelssystem (EU-EHS), indem es einen CO₂-Preis für importierte Waren festlegt, der dem CO₂-Preis für im Inland produzierte Waren entspricht. CBAM führt eine Reihe von Berichts- und Einhaltungspflichten für Importeure von Waren in die Europäische Union ein.

Warum ist CBAM notwendig?

CBAM zielt darauf ab, das Risiko für Carbon Leakage im Rahmen des EU-EHS zu verringern. Carbon Leakage beschreibt das Phänomen, bei dem Klimapolitik die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Hersteller gegenüber umweltschädlicheren ausländischen Herstellern einschränkt, die von weniger strengen Vorschriften profitieren. Es besteht dann die Gefahr, dass die Industrie in Länder mit niedrigeren Umweltstandards abwandert. Die Emissionen würden exportiert statt gemindert, und die heimische Wirtschaft verbleibt geschwächt.

Im Rahmen des EU-EHS erhalten regulierte Unternehmen, bei denen ein Carbon-Leakage-Risiko besteht, kostenlos Emissionszertifikate in Abhängigkeit von ihrer Emissionsintensität im Verhältnis zu einem sektoralen Benchmark. Auf diese Weise wird der Wettbewerbsnachteil der europäischen Klimapolitik abgemildert. Die Zuteilung kostenloser Zertifikate läuft bis 2034 aus, ab dann wird CBAM diese Aufgabe übernehmen.

Was ist der Mechanismus & Anwendungsbereich von CBAM?

CBAM ist während der Übergangsperiode von Oktober 2023 bis Ende 2025 auf ausschließlich Berichtspflichten beschränkt. Importeure oder indirekte Zollvertreter, die CBAM-Waren in die EU einführen, sind verpflichtet, die bei der Herstellung von CBAM-Waren und deren Vorprodukten entstehenden Emissionen (graue Emissionen) zu berechnen und zu melden.

Der Zeitraum der vollständigen Anwendung des CBAM beginnt 2026. Ab diesem Zeitpunkt müssen die Importeure CBAM-Zertifikate erwerben. Der Preis der CBAM-Zertifikate ist an den Preis der Emissionszertifikate im EU-EHS gekoppelt, der derzeit bei etwa 85 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent liegt und bis 2030 voraussichtlich zwischen 100 und 150 Euro liegen wird. Jeder CO2-Preis, der bereits in den Herkunftsländern fällig wird, reduziert die Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate (Abbildung 1). Dieser Mechanismus gleicht den Kohlenstoffpreis für ausländische und inländische Waren an, die auf dem EU-Markt verkauft werden. Im Vergleich zum System der kostenlosen Zuteilung erhöht CBAM nicht nur die Einnahmen der EU aus dem EU-EHS, sondern schafft auch Anreize für ehrgeizige Kohlenstoffpreise und die Dekarbonisierung der Industrie im Ausland.

Abbildung 1 CBAM-Wirkungsweise. Quelle: carboneer.

CBAM deckt derzeit sechs Sektoren ab, auf die etwa 50 % der Emissionen im EU-EHS entfallen: Aluminium, Zement, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff sowie Eisen & Stahl. Im Eisen- und Stahlsektor werden derzeit 478 KN-Waren (Kombinierte Nomenklatur) zu 8 aggregierten Warenkategorien zusammengefasst, die ähnliche Produktionswege, Systemgrenzen und Vorläuferstoffe aufweisen.

Bis spätestens Ende 2024 wird die EU-Kommission weitere Produkte entlang der Wertschöpfungskette von CBAM-Waren für eine mögliche Aufnahme in die Verordnung identifizieren. Ab Januar 2028 und anschließend alle zwei Jahre wird die Effektivität von CBAM bewertet und über die mögliche Aufnahme weiterer Sektoren in CBAM beraten.

Was sind die CBAM-Verpflichtungen für Importeure?

Um ihre CBAM-Verpflichtungen zu erfüllen, müssen sich Importeure oder indirekte Zollvertreter vor der Einfuhr von CBAM-Waren in die EU als autorisierte CBAM-Anmelder registrieren lassen. Für jedes Kalenderjahr müssen die regulierten Unternehmen die in den Importen enthaltenen Emissionen nach der weiter unten beschriebenen Methode berechnen und die Ergebnisse in der CBAM-Erklärung bis zum 31. Mai des Folgejahres mitteilen. In diesen Erklärungen können die Importeure auch eine Verringerung der abzugebenden CBAM-Zertifikate beantragen, wenn im Herkunftsland bereits ein Preis auf Emissionen gezahlt wurde. Die in den CBAM-Erklärungen enthaltenen Informationen müssen von unabhängigen Gutachtern verifiziert werden, die im Rahmen der EU-EHS-Verordnung akkreditiert sind. Weiterhin müssen Importeure einen Zugang zum CBAM-Register einrichten. Auf dieser Plattform werden die Daten über die grauen Emissionen an die Behörden übermittelt und CBAM-Zertifikate gekauft und eingereicht.

Die Verpflichtung zur Einreichung von CBAM-Zertifikaten wird schrittweise bis 2034 eingeführt. In der Übergangszeit müssen keine CBAM-Zertifikate gekauft werden. Erst mit der vollständigen Anwendung von CBAM im Jahr 2026 müssen die Importeure CBAM-Zertifikate abgeben. Die Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate steigt proportional zum Auslaufen der kostenlosen Zuteilungen im EU-EHS: 2026 müssen regulierte Unternehmen CBAM-Zertifikate für 2,5 % ihrer grauen Emissionen abgeben. Dieser Anteil steigt schrittweise an, bis er im Jahr 2034 100 % erreicht.

Wie werden graue Emissionen berechnet?

Generell müssen die CBAM-Anmelder sowohl die direkten Emissionen aus dem Produktionsprozess als auch die indirekten Emissionen aus der Erzeugung der im Produktionsprozess verwendeten Energie berücksichtigen. In der CBAM-Richtlinie sind einige Güter (auch aus dem Eisen- und Stahlsektor) aufgeführt, bei denen nur die direkten Emissionen zu berücksichtigen sind, da einige Produktionsanlagen von den EU-Ausgleichszahlungen für höhere Strompreise profitieren. Für die eigentliche Berechnung der direkten Emissionen können die Verpflichteten eine der beiden Methoden anwenden:

  1. Der berechnungsbasierte Ansatz, bei dem die in der Produktion verwendeten Rohstoffe und Inputs mit Berechnungsfaktoren wie dem netto Heizwert oder Emissionsfaktoren kombiniert werden.
  2. Der messungsbasierte Ansatz, bei dem die Emissionen durch kontinuierliche Messungen des Abgasstroms und der Treibhausgaskonzentrationen in den Abgasen bestimmt werden.

Wenn die CBAM-Anmelder nicht über die erforderlichen Daten zur Durchführung der Berechnungen verfügen, können sie auf Standardwerte zurückgreifen, die als Emissionsfaktoren verwendet werden. Die Standardwerte sollen bis Ende 2023 veröffentlicht werden. Die EU hat bereits eine erste Studie veröffentlicht, die die Unterschiede in den Emissionsintensitäten zwischen der EU und ihren Handelspartnern für CBAM-Waren aufzeigt (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 Emissionsintensität für CN code 7217 10 – Wires of non-alloy steel. Der Wert für Weißrussland basiert auf dem sekundären Produktionsweg. Quelle: Vidovic et al. (2023).

CBAM-Anmelder können auch ihre Lieferanten auffordern, sich als Betreiber aus einem Drittland im CBAM-Register registrieren zu lassen. Sie können die oben genannte Berechnungsmethode auf ihren Output anwenden und eine Prüfung gemäß den EU-EHS-Standards durchführen lassen. Die Lieferanten können dann die Informationen über ihre grauen Emissionen an die CBAM-Anmelder weitergeben, die ihrerseits diese Informationen in ihren CBAM-Erklärungen verwenden können.

Welche Regeln gelten während des Übergangszeitraums?

Die EU ist sich der Herausforderungen für Unternehmen bewusst, und führt den Mechanismus schrittweise mit einer Übergangsperiode vom 1. Oktober 2023 bis zum 31. Dezember 2025 ein. Die Übergangszeit soll allen Beteiligten, einschließlich Importeuren, Herstellern und Behörden, als Test- und Lernphase dienen. Ihr Zweck ist es, Daten über graue Emissionen zu sammeln, um die Methodik für den Zeitraum der vollständigen Anwendung ab 1. Januar 2026 zu verbessern. Die CBAM-Verpflichtungen beschränken sich während des Übergangszeitraums auf die Berichterstattung (Abbildung 3).

CBAM-Anmelder müssen anstelle von jährlichen CBAM-Erklärungen vierteljährliche CBAM-Berichte einreichen. Der erste Bericht, der die grauen Emissionen aus dem vierten Quartal 2023 abdeckt, muss bis zum 31. Januar 2024 eingereicht werden. Die Anforderungen an die Berechnung und die allgemeine Berichterstattung werden in der Übergangsphase etwas gelockert: Neben der oben beschriebenen Berechnungsmethode (EU-Methode) stehen für die Übergangsphase zwei weitere Methoden zur Verfügung:

  1. Bis zum 31. Dezember 2024 können graue Emissionen über nationale Systeme von Drittländern ermittelt werden, wie z. B. Kohlenstoffpreissysteme oder Überwachungssysteme.
  2. Bis zum 31. Juli 2024 können graue Emissionen auch ausschließlich anhand von Standardwerten aus der EU oder anderen Ländern ermittelt werden, wenn die Berechnungsmethoden übereinstimmen.

In der Übergangsphase müssen Unternehmen sowohl über direkte als auch über indirekte Emissionen berichten. Die oben erwähnten Ausnahmen für indirekte Emissionen in der Eisen- und Stahlindustrie gelten nur für den Zeitraum der vollständigen Anwendung der CBAM-Regeln. Sanktionen können verhängt werden, wenn der Anmelder keinen korrekten oder vollständigen CBAM-Bericht vorlegt. Die Strafen liegen zwischen 10 und 50 EUR pro Tonne nicht gemeldeter Emissionen.

Abbildung 3 CBAM Zeitplan. Quelle: carboneer.

Welche unmittelbaren Aufgaben ergeben sich für Unternehmen?

Bis zum Zeitraum der vollständigen Anwendung dauert es noch über zwei Jahre. Schon jetzt können Sie Ihr Unternehmen vorbereiten, um die rechtlichen Verpflichtungen des Übergangszeitraums zu erfüllen und einen Vorsprung für den Zeitraum der vollständigen CBAM-Anwendung zu erarbeiten:

  • Ermitteln Sie, welche Ihrer Importe den CBAM-Vorschriften unterliegen. Setzen Sie sich mit Lieferanten und Herstellern in Verbindung, um Emissionsdaten für importierte Waren zu sammeln. Sammeln Sie Informationen über Kohlenstoffpreisregelungen in den Ursprungsländern Ihrer CBAM-Waren.
  • Lassen Sie sich als CBAM-Anmelder registrieren oder lassen Sie Ihren indirekten Zollvertreter registrieren.
  • Erhalten Sie Zugang zum CBAM-Übergangsregister. Dies ist die Schnittstelle für Regulierungsbehörden und regulierte Unternehmen während der Übergangszeit.
  • Lernen Sie den Umgang mit der von der EU veröffentlichten CBAM-Meldevorlage.
  • Einrichtung von Prozessen zur Sammlung von Emissionsdaten und Bereitstellung von Personalkapazitäten für die Bearbeitung von CBAM-Aufgaben.
  • Nutzen Sie die Preisprognose für die EU-Emissionsrechte und die Prognosen zu grauen Emissionen, um die mittelfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der CBAM-Vorschriften auf Ihre Lieferkette und Ihr Unternehmen zu beurteilen.
  • Verstehen Sie die Auswirkungen von CBAM auf Ihre Lieferkette und bewerten Sie Ihr Preis- und Regulierungsrisiko in verschiedenen Ländern.

Mit der Einführung von CBAM spielt die Emissionsüberwachung und -berichterstattung zusammen mit der Bepreisung von CO2 eine immer wichtigere Rolle für Nicht-EU-Produzenten und Importeure. Die Verpflichtungen zur Emissionsberichterstattung während des Übergangszeitraums von CBAM sind für viele Unternehmen neu erfordern eine umfassende Vorbereitung. Die Vorschriften zu CBAM werden in den kommenden Jahren weiterentwickelt und sollten von Erzeugern aus Drittländern und der EU sowie von Händlern und Importeuren gleichermaßen genau beobachtet werden. Weitere CBAM-Durchführungsbestimmungen werden kontinuierlich veröffentlicht. Beispielsweise zur Beschaffung von Ökostrom über Strombezugsverträge (PPAs) oder zu aktualisierten Produktlisten, die den CBAM-Verpflichtungen unterliegen. Letztlich benötigen Unternehmen einen strategischen Ansatz für diese neuen Realitäten des globalen Handels und der Dekarbonisierung.

Quelle:
Vidovic, D., Marmier, A., Zore, L. and Moya, J., Greenhouse gas emission intensities of the steel, fertilisers, aluminium and cement industries in the EU and its main trading partners, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2023, doi:10.2760/359533, JRC134682.

Carbon Management in Deutschland (II): Emissionen, Potenziale und Kosten für CCUS

In diesem zweiten Artikel der Serie über Kohlendioxidabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS) in Deutschland analysiert carboneer die Emissionsprofile der deutschen Industrie und die damit verbundenen CCS-Potenziale und -Kosten. Lesen Sie den ersten Artikel über die Entwicklungen zu Carbon Management in Deutschland aus klimapolitischer Perspektive hier. Folgen Sie carboneer, um Zugriff auf alle Artikel zum historischen und politischen Kontext des Themas und zu Entwicklungen und Auswirkungen auf die Sektoren Stahl, Zement, Kalk, Chemikalien und Müllverbrennung zu haben.

Fokus auf industrielle Emissionen

CCUS-Aktivitäten im Energiesektor, insbesondere bei Stromerzeugung in Kohle- und Gaskraftwerken, werden höchstwahrscheinlich keinen Einzug in die Carbon Management Strategie (CMS) Deutschlands finden, da diese auf residuale, schwer zu dekarbonisierende und prozessbezogene Emissionen im Industriesektor ausgerichtet ist. Dennoch ist der Energiesektor der größte Verursacher von deutschen CO2-Emissionen: Im Jahr 2021 emittierte der Energiesektor 238 Mt CO2, was 35% der Gesamtemissionen entspricht. Die meisten Emissionen aus bestehenden Kohle- und Gaskraftwerken dürften jedoch durch erneuerbare Quellen oder die Nutzung von grünem Wasserstoff ersetzt werden, was den Anwendungsbereich für CCUS begrenzt. Dennoch hat auch dieser Sektor Potenzial, hauptsächlich durch CCUS-Anwendungen in Müll- und Biomassekraftwerken.

Der Schwerpunkt von CCUS-Aktivitäten wird daher auf dem Industriesektor liegen, dem zweitgrößten Verursacher von CO2-Emissionen in Deutschland. Im Jahr 2021 waren industrielle Anlagen für 168 Mt CO2-Emissionen verantwortlich, was 25% der Gesamtemissionen entspricht. Der größte Teil der industriellen Emissionen stammt von großen Anlagen, die dem EU Emissionshandelssystem unterliegen, sowie von Müllverbrennungsanlagen. Diese Anlagen emittierten im Jahr 2021 insgesamt 137,8 Mt CO2 (vgl. Abbildung 1), wobei die größten Anteile aus der Stahlproduktion (31,5 Mt), der Müllverbrennung (23,3 Mt), der Zementproduktion (20,1 Mt), dem Chemiesektor (16,9 Mt) und Kalkherstellung (6,4 Mt) stammen.

Figure 1: Anteile der CO2-Emissionen aus deutschen Industriesektoren (Anlagen im EU Emissionshandel) und aus der Müllverbrennung im Jahr 2021 (Quelle: carboneer, Datenquelle: DEHSt (2022), EEA (2022))

Das CCS-Potenzial im Industriesektor in Deutschland

Dreiviertel der Industrieemissionen stammen aus dem Energieverbrauch und sollen vor allem durch erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnahmen reduziert werden. Etwa ein Viertel der industriellen Emissionen sind prozessbezogen und kommen aus der Verwendung kohlenstoffhaltiger Materialien in der Produktion. Prozessemissionen sind schwer zu vermeiden, und die fünf großen Klimaneutralitätsstudien für Deutschland (siehe Teil I) betonen die bedeutende Rolle von CCUS für die Emissionsminderung und von CO2-Recycling in der Industrie.

Bei der Berechnung des CCS-Potenzials ist zu beachten, dass nicht alle prozessbezogenen Emissionen abgeschieden werden können. Abhängig von Branche und der Verteilung der Emissionsquellen liegt der Anteil abscheidbarer Emissionen zwischen 45% in der Chemieindustrie und 90% für Müllverbrennungsanlagen. Nach dieser Methodik beläuft sich die Menge der technisch abscheidbaren CO2-Emissionen aus großen Industrie- und Müllverbrennungsanlagen in Deutschland auf 44,2 Mt (vgl. Abbildung 2).

Figure 2: CCS-Potenzial in ausgewählten Sektoren (Quelle: carboneer)

Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Machbarkeit und alternativer technologischer Wege zur Dekarbonisierung schrumpft das letztlich relevante CCS-Potenzial noch weiter. Während Emissionen bei Herstellung von Kalk und Zement und bei der Müllverbrennung abgeschieden werden müssen, da es an technologischen Alternativen mangelt, könnte grüner Wasserstoff die primäre Dekarbonisierungsroute für die Stahlproduktion werden. Die Chemieindustrie wird weiterhin auf kohlenstoffhaltige Materialien angewiesen sein, um Grundchemikalien herzustellen, könnte jedoch auf biogene und atmosphärische Kohlentstoffquellen umstellen oder auf recyclierten Kohlenstoff aus anderen Industriesektoren setzen. Eine detailliertere Analyse der verschiedenen Sektoren und ihrer Attraktivität für CCUS wird in zukünftigen Artikeln dieser Serie folgen.

Infrastruktur und Kosten

Um den Transport von abgeschiedenem CO2 zu potenziellen Speicherstandorten oder Verbrauchern zu ermöglichen, ist geeignete Infrastruktur erforderlich. Die Entwicklung der CO2-Transportinfrastruktur ist entscheidend für den Erfolg von Carbon Management, und das Tempo ihrer Entwicklung kann den gesamten Fortschritt von CCUS-Anwendungen erheblich beeinflussen. Bis 2030 sind in Deutschland erste groß angelegte CO2-Transportinfrastrukturen erforderlich. Der Transportmodus hängt dabei von Menge und dem beabsichtigten Verwendungszweck des CO2 ab. Transport per Schiene, Lastwagen, Schiff und Pipelines können geeignete Optionen sein. Pipelines sind besonders für große Industriestandorte und CCUS-Cluster geeignet, wenn erhebliche Mengen CO2 über längere Strecken zu Speicheranlagen oder anderen Industriesenken transportiert werden müssen. Für dezentrale Standorte wie Kalk- und Zementwerke muss jedoch noch der effizienteste Umgang mit abgeschiedenen CO2 gefunden werden. Die lokale Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist eine der möglichen Optionen. Ein landesweites CO2-Pipelinenetz, das alle Hauptemissionsquellen verbindet, wird sich in Deutschland voraussichtlich nicht entwickeln. Pipelines für große Industriecluster werden mittel- bis langfristig jedoch notwendig sein. Darüber hinaus arbeiten einige Öl- und Gasunternehmen bereits an der Entwicklung von Pipelines zum Export von in Deutschland abgeschiedenen CO2 zu Speicherstandorten in der Nordsee.

Die Kosten für CCS (einschließlich Abscheidung, Transport und Speicherung) sind über die verschiedenen Sektoren hinweg relativ homogen. Die derzeitige Nichtverfügbarkeit von Speicherkapazitäten in Deutschland macht eine Implementierung relativ teuer (vgl. Abbildung 3) im Vergleich zu einem Land wie dem Vereinigten Königreich, das besseren Zugang zu Speicherstandorten hat (z. B. in der Nordsee). Hohe Kosten von etwa 200 EUR/t CO2 für CCS-Anwendungen in Deutschland deuten bereits auf die Notwendigkeit von Anreiz- und Unterstützungsmechanismen hin, um das Carbon Management im industriellen Maßstab umzusetzen.

Figure 3: Durchschnittliche CCS-Kosten in EUR/t CO2 in Deutschland und im Vereinigten Königreich (Quelle: carboneer, Datenquelle: CATF, 2022)

Politiker in Deutschland müssen die Entscheidung treffen, ob erschöpfte Erdgasreservoire und saline Aquifere in Norddeutschland und unter der deutschen Nordsee geeignete CO2-Speicherstandorte sind oder ob der Export von CO2 durch internationale Kooperation und die Speicherung in der Nordsee und der Norwegischen See eine politisch akzeptablere Option darstellt.

In den kommenden Artikeln dieser Serie untersuchen wir die Attraktivität der oben genannten Industriesektoren für CCS-Anwendungen anhand von Indikatoren wie dem regulatorischen Rahmen, konkurrierenden Dekarbonisierungsoptionen und anderen sektorspezifischen Merkmalen.

Dieser Artikel basiert auf einer Studie von carboneer für den Trade Commissioner Service der Botschaft von Kanada in Deutschland.

Quellen:
CATF (2022) The cost of carbon capture and storage in Europe. Available at: https://​www.catf.us​/​ccs-​cost-​tool/​ (Accessed: 27 March 2023).

DEHSt (2022) Treibhausgasemissionen 2021: Emissionshandelspflichtige stationäre Anlagen und Luftverkehr in Deutschland (VET-Bericht 2021). Available at: https://​www.dehst.de​/​SharedDocs/​downloads/​DE/​publikationen/​VET-​Bericht-​2021.pdf​?​__blob=​publicationFile&​v=​7 (Accessed: 27 March 2023).

EEA (2022) Industrial Reporting database, May 2022, 7 March. Available at: https://​www.eea.europa.eu​/​data-​and-​maps/​data/​industrial-​reporting-​under-​the-​industrial-​6 (Accessed: 27 March 2023).

Carbon Management in Deutschland (I): plötzlich klima- und industriepolitische Notwendigkeit?

Dies ist der erste Artikel einer Serie über das Potenzial der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS) in Deutschland, die carboneer in den kommenden Wochen veröffentlichen wird.

In diesem Artikel betrachten wir die Auswirkungen eines klimaneutralen Deutschlands im Jahr 2045 auf die Nachfrage nach Kohlenstoffmanagement und CCUS. Das Thema wurde in öffentlichen Debatten lange Zeit vernachlässigt, erlebt jedoch kürzlich eine Wiederbelebung. CCUS kann zwei Zwecke erfüllen: (i) die Dekarbonisierung industrieller Anlagen unterstützen und (ii) insbesondere die chemische Industrie mit CO2 als Rohmaterial für die Produktion von Grundstoffen versorgen.

Eine kurze Geschichte der CCUS-Politik in Deutschland

Während die Erforschung großtechnischer unterirdischer CO2-Speicherung im Jahr 2004 am Pilotstandort Ketzin nahe Berlin begann, sind industrielle Kohlenstoffmanagementaktivitäten in Deutschland bis heute praktisch nicht vorhanden. Die Richtlinie der Europäischen Union zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS Directive) von 2009 legte den Rahmen für die Umsetzung entsprechender nationaler Gesetzgebung in den Mitgliedsstaaten fest. Das deutsche Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) trat im August 2012 in Kraft (vgl. Abbildung 1), schaffte jedoch keine günstigen Bedingungen für CCUS-Anwendungen.

Die Debatte um CO2-Speicherung in Deutschland war zu dieser Zeit eng mit der Fortführung der Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken verbunden und stieß auf starken öffentlichen Widerstand. Die Ausweitung der erneuerbaren Energien stand im Mittelpunkt der Treibhausgasminderung, und CCUS-Anwendungen wurden insbesondere hinsichtlich Kosten- und Sicherheitskriterien als riskant angesehen. Unter dem Einfluss allgemeiner Skepsis gegenüber CCUS erlaubte das KSpG nur Anwendungen mit Speicherkapazitäten unter 1,3 Millionen Tonnen CO2, und die meisten Bundesländer verboten die unterirdische CO2-Speicherung. Bis zum gesetzlichen Stichtag für Projektanträge Ende 2016 wurde kein einziges kommerzielles Speicherprojekt entwickelt. In Deutschland ist es daher derzeit nicht möglich, CO2 unterirdisch zu speichern, und es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Abscheidungs- und Nutzungsprojekten (CCU).

Carbon Management ist in Deutschland erst kürzlich wieder in die politische Arena zurückgekehrt. Das industriell geprägte Nordrhein-Westfalen veröffentlichte 2021 seine Kohlenstoffmanagementstrategie, und die nationale Carbon Management Strategie wird derzeit vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) entwickelt. Wir haben die Themen der nationalen Carbon Management Strategie in diesem Artikel ausführlich behandelt.

Abbildung 1: Relevante Ereignisse für Carbon Management in Deutschland (Quelle: carboneer)

Kohlenstoffmanagement als zentrale Komponente der Klimaneutralität

Mit ehrgeizigeren Klimazielen auf EU- und deutscher Ebene wird immer deutlicher, dass Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts oder gar bis 2045 ohne groß angelegte Abscheidung, Nutzung und langfristige Speicherung von CO2 nicht erreicht werden kann. Während CCUS in der deutschen politischen Entscheidungsfindung langsam an Bedeutung gewinnt, kommt die akademische Forschung einhellig zum Schluss, dass Carbon Management – also CCUS sowie Kohlenstoffentnahmen aus der Atmosphäre (Carbon Removal) – notwendig ist, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Da der Stromsektor weitgehend durch den Ausbau erneuerbarer Energien dekarbonisiert werden kann, wird der Fokus von Carbon Management in Deutschland vor allem auf dem Industriesektor liegen. Insbesondere prozessbedingte Emissionen sind schwer zu reduzieren und können in manchen Fällen nur durch CCUS verhindert werden. Abbildung 2 zeigt die Prognosen von fünf Forschungsprojekten über die Mengen und Quellen von abgeschiedenem CO2 im Jahr 2045, also wenn Deutschland Klimaneutralität anstrebt.

Abbildung 2: CO2-Abscheidung nach Anwendung und Quelle im Jahr 2045 (2050 für BMWK) (Quelle: carboneer, Datenquellen: Agora: Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021), BDI: BCG (2021), dena: Deutsche Energie-Agentur (2021), BMWK: Fraunhofer ISI et al. (2022), Ariadne: Luderer, Kost and Sörgel (2021))

Der Aufbau von Abscheidekapazitäten zwischen 35 und 70 Mt CO2 in verschiedenen Industriezweigen, also etwa 5-10 % der aktuellen deutschen Treibhausgasemissionen, erfordert gezielte und erhebliche Investitionen in den kommenden zwei Jahrzehnten. Diese Investitionen werden nur realisierbar, wenn eine entschlossene politische Entscheidung ein förderliches Investitionsumfeld sowie klare Regeln und Leitlinien zu nachfolgenden Themen schafft:

  • Anreizmechanismen für Abscheidung, Nutzung und Speicherung
  • Bereitstellung und Regulierung von Transport- und Speicherinfrastrukturen
  • Regulierung von CO2-Importen und -Exporten
  • Treibhausgas-Bilanzierung (insbesondere bei CCU-Projekten)

Vom Abfall zum Rohstoff: Wie viel Speicherbedarf für CO2 besteht tatsächlich?

Während wir in den kommenden Artikeln dieser Serie einen detaillierten Einblick in die Bedingungen und Dynamiken von CCUS in verschiedenen Industriezweigen geben, möchten wir bereits jetzt Erkenntnisse unserer Analyse vorstellen. Das technische Potenzial für die Abscheidung von CO2 in den relevanten Industrien (Stahl, Zement, Kalk, Chemikalien, Müllverbrennung) in Deutschland beträgt 40-50 Mt CO2. Hier berücksichtigen wir nur prozessbedingte Emissionen, da insbesondere die energiebedingten Emissionen durch andere Lösungen wie erneuerbare Energien, Elektrifizierung oder grünen Wasserstoff dekarbonisiert werden können und müssen.

Auf der anderen Seite wird der Bedarf an CO2 in der chemischen Industrie in Deutschland im Jahr 2045 auf etwa 50 Mt CO2 geschätzt. Dies weist bereits auf ein neues Paradigma und nötiges industrielles Ökosystem hin, in dem CO2 nicht unbedingt im Norden Deutschlands unter der Nordsee oder gar exportiert nach Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden gespeichert wird. Ganz im Gegenteil, CO2 könnte eine knappe Ressource im industriellen Kohlenstoffkreislauf werden und die Nachfrage nach CCU-Projekten erhöhen. Darüber hinaus erlaubt das aktualisierte EU-Emissionshandelssystem den regulierten Unternehmen die Verwendung von CCUS anstelle der Abgabe von Emissionsrechten. Zweifellos erhöht diese Option die Relevanz und Nachfrage nach CCUS-Anwendungen.

Die Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen Politikbereichen und neuen industriellen Paradigmen ist entscheidend für ein erfolgreiches Kohlenstoffmanagement auf nationaler und EU-Ebene. Themen, die weitere Analysen erfordern, sind unter anderem:

  • Notwendige CO2-Transportkapazitäten innerhalb Deutschlands und Europas
  • Erforderliche Speicherkapazitäten in Europa
  • Qualitätskriterien von CO2 bei Transport und Nutzung
  • Synchronisierter Aufbau von Abscheidungs-, Transport- und Speicherkapazitäten
  • Entwicklung von Kohlenstoffmanagement-Clustern in der Industrie

Der nächste Artikel in dieser Serie über Carbon Management in Deutschland befasst sich mit den industriellen Emissionen, dem CCS-Potenzial in verschiedenen Branchen und den Kosten für CCS befassen. In der Zwischenzeit können Sie sich gerne mit Feedback und Fragen zum Thema an uns wenden.

Dieser Artikel basiert auf einer Studie von carboneer für den Trade Commissioner Service der Botschaft von Kanada in Deutschland.

Quellen:

BCG (2021) Klimapfade 2.0: Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft, Gutachten für den BDI. Available at: https://​web-assets.bcg.com​/​58/​57/​2042392542079ff8c9ee2cb74278/​klimapfade-​study-​german.pdf (Accessed: 25 March 2023).

Bundesregierung (2022) Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz: Drucksache 20/5145. Available at: https://​dserver.bundestag.de​/​btd/​20/​051/​2005145.pdf.

Deutsche Energie-Agentur (2021) dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Available at: https://​www.dena.de​/​fileadmin/​dena/​Publikationen/​PDFs/​2021/​Abschlussbericht_​dena-​Leitstudie_​Aufbruch_​Klimaneutralitaet.pdf (Accessed: 27 March 2023).

Fraunhofer ISI, Consentec and ifeu (2022) Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland: Modul 3: Referenzszenario und Basisszenario, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Available at: https://​www.langfristszenarien.de​/​enertile-​explorer-​en/​ (Accessed: 25 March 2023).

Luderer, G., Kost, C. and Sörgel, D. (2021) Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 – Szenarien und Pfade im Modellvergleich: PIK: Potsdam-Institut fur Klimafolgenforschung. Available at: https://​policycommons.net​/​artifacts/​1860013/​deutschland-​auf-​dem-​weg-​zur-​klimaneutralitat-​2045/​2607518/​ (Accessed: 28 March 2023).

Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021) Klimaneutrales Deutschland 2045. Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann: Zusammenfassung im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende. Available at: https://​www.agora-energiewende.de​/​veroeffentlichungen/​klimaneutrales-​deutschland-​2045 (Accessed: 25 March 2023).

Carbon Management und CCU/S in Deutschland

Die deutsche Bundesregierung erarbeitet zum Thema CO2-Speicherung und Nutzung derzeit eine Carbon Management Strategie. Denn, unstreitbar ist: Ohne die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 aus industriellen Prozessen (CCU/S) und der Atmosphäre kann Deutschland bis 2045 kaum klimaneutral werden. Grundlage für die Carbon Management Strategie ist unter anderem der neue Evaluierungsbericht zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz. In diesem Beitrag erläutern wir die wichtigsten Eckpunkte und Grundsätze einer solchen Strategie.  

Die CCU/S Nomenklatur

In Sinne einer einheitlichen Nomenklatur verwenden wir im Folgenden den Begriff Carbon Management als Überbegriff für den Umgang mit Kohlenstoff, der sowohl CO2-Abscheidung-, Transport- und Nutzung (CCU) oder -speicherung (CCS) von fossilen als auch biologischen oder atmosphärischen Quellen als Negativemissionen oder Carbon Dioxide Removal (BECCS und DACCS) beinhaltet. Ebenso ist der Umgang mit weiteren naturbasierten Lösungen zur Entnahme und Reduktion von Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre Teil des Carbon Managements (vergleiche Abbildung 1).

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Abbildung 1: Quellen und Senken von CO2-Emissionen der verschiedenen Bestandteile von Carbon Management (Quelle: carboneer)

Die Auswirkung auf das Klima und die technischen und ökonomischen Details der unterschiedlichen Technologien und Möglichkeiten sind komplex und bedürfen detaillierter Untersuchungen. Wenden Sie sich bei Interesse gerne an uns.

Carbon Management für Klimaneutralität notwendig

Anfang Januar 2023 reiste der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Norwegen, um dort weitere Kooperationen im Bereich Energie und Klima auszuloten. Ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit mit Norwegen soll dabei unter anderem das Thema Abscheidung-, Transport-, und Speicherung von CO2 werden. Im Zuge der verschärften Klimaziele auf EU und deutscher Ebene wird immer klarer, dass Treibhausgas- oder gar Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts ohne großtechnische Abscheidung, Nutzung und vor allem langfristige Speicherung von CO2 nicht zu erreichen sein wird. 

Gleichzeitig hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Dezember 2022 den Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) veröffentlicht. Das KSpG trat im August 2012 in Kraft und sollte erste Demonstrationsprojekte zur langfristigen Speicherung von CO2 im Erdboden in Deutschland erproben. Die Akzeptanz für die Speicherung von CO2 in Deutschland war in der Vergangenheit stets sehr gering, insbesondere da der Diskurs stark mit dem Einsatz von CO2-Abscheidung an Kohlekraftwerken und deren Weiterbetrieb verbunden war. Bis zum Ende der Frist zur Antragstellung für die Genehmigung neuer unterirdischer CO2-Speicher (Ende 2016) wurde jedoch nur ein Demonstrationsprojekt in Deutschland beantragt und gebaut. Da nach Ende 2016 keine neuen Anträge eingereicht werden können, ist die CO2-Speicherung im gesamten Bundesgebiet de facto nicht möglich. 

CO2-Abscheidung für Restemissionen in der Industrie

In Zukunft soll der Einsatz von CCS an Kohlekraftwerken in Deutschland aufgrund des geplanten Kohleausstiegs keine Rolle spielen, hingegen wird die Abscheidung-, Nutzung-, oder Speicherung von CO2 vor allem für eine klimaneutrale Industrie benötigt. So werden auch nach Einsatz erneuerbarer Energien oder Elektrifizierung große Mengen an prozessbedingte CO2-Emissionen etwa in der Kalk- und Zementindustrie oder in der Stahlindustrie anfallen. Ebenso ist Kohlenstoff die Ausgangsbasis für viele weitere wichtige Erzeugnisse in der Chemieindustrie und wird daher auch als Rohstoff benötigt. Im Projekt Langfristszenarien wird von etwa 30 Millionen Tonnen CO2 ausgegangen, die von industriellen Anlagen in Deutschland auch nach Erreichen der Klimaneutralität in 2045 abgeschieden, transportiert, wiederverwendet oder endgelagert werden müssen. Mögliche Standorte der Abscheidungsanlagen und Transportpipelines für CO2 sind in Abbildung 2 dargestellt.

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Abbildung 2: Mögliche CO2-Senken,- Quellen und -Netz in Deutschland in 2045 (Quelle: Langfristszenarien)

Hierbei fällt auf, dass sich in den Kerngebieten der deutschen Grundstoff- und Schwerindustrie Cluster von CCU/S-Standorten ansiedeln. Diese Clusterbildung ist vor allem ökonomischen Skaleneffekte für Infrastrukturen zur Abscheidung, dem Transport aber auch der potenziellen Wiederverwendung von CO2 geschuldet. Fokus der deutschen Carbon Management Strategie wird demnach vor allem auf dem Industriesektor und nicht auf der Abscheidung bei Kohleverstromung liegen.

Neben der Abscheidung von CO2 an industriellen Quellen muss jedoch auch der Einsatz von Carbon Removal Lösungen, also der physischen Entnahme von CO2-Emissionen aus der Atmosphäre forciert werden. Denn nur dadurch können auch die in 2045 weiterhin auftretenden Treibhausgasemissionen etwa aus der Landwirtschaft ausgeglichen werden. Die dafür notwendigen Negativemissionen liegen mit 45-80 Millionen Tonnen CO2 sogar auf einem höheren Niveau als die CO2-Abscheidungen in der Industrie. Wir haben die Details dazu hier und hier dargestellt.

Wichtige Grundsätze der deutschen Carbon Management Strategie

Dem Einsatz von CCU/S in der Industrie wird neben der Energie- und Ressourceneffizienz sowie dem Einsatz grüner Energieträger und der Elektrifizierung von Prozessen eine Rolle als Dekarbonisierungsoption zukommen. Wichtige Erkenntnisse aus den jüngsten Klimaneutralitätsstudien (Klimaneutrales Deutschland 2045, Klimapfade 2.0, dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität, Langfristszenarien) lassen folgende Einschätzungen zu:

  • Steigerung des Ambitionsniveau der Klimaziele führt zu verstärktem Einsatz von CCU/S
  • CO2-Abscheidung im Millionen Tonnen Bereich schon ab 2030 notwendig
  • Einsatz von CCS vor allem in der Industrie und dem Abfallsektor
  • Negativemissionen durch Carbon Dioxide Removal müssen spätestens ab 2030 skaliert werden
  • Die Permanenz der CO2-Entnahme und Speicherung durch naturbasierte Methoden ist unsicher und macht daher technische Lösungen ebenfalls notwendig
  • Fossiles CCU/S und technisches Carbon Dioxide Removal können gleiche Infrastrukturen nutzen und sollten integriert betrachtet werden
  • Transparenter und kontinuierlicher Dialog notwendig um gesellschaftliche Akzeptanz für den Hochlauf von CCU/S sicherzustellen
  • Erhebliche Mengen der CO2-Abscheidung auf globaler Ebene (6-12 Gt/Jahr je nach Szenario) auch durch CCS an fossilen Kraftwerken getrieben 

Der kürzlich veröffentlichte Evaluierungsbericht zum KSpG gibt der Bundesregierung folgende wesentlich Empfehlungen für die Überarbeitung mit: Prüfung und Anpassung von Regelungen des (grenzüberschreitenden) Transports von CO2 und bezüglich deutscher Endlagerstätten für CO2, die weitere Integration von CCU/S in das europäische Emissionshandelssystem (EU EHS), und die Entwicklung eines klaren Rahmens zur Bilanzierung von Negativemissionen. Die Details sollen in einer deutschen Carbon Management Strategie (Abbildung 3) durch die Bundesregierung herausgearbeitet und im Laufe des Jahres 2023 vorgestellt werden. 

Abbildung 3: Grundpfeiler für Carbon Management in Deutschland (Quelle: Bundesregierung)

Welche Themen müssen geklärt werden?

Im Zuge der deutschen Carbon Management Strategie soll zuerst eine Priorisierung von CCU/S Anwendungen erarbeitet werden. Dabei muss die Frage beantwortet werden, in welchen Industrien und welche Emissionen CCU/S-Maßnahmen am wichtigsten sind, um Ressourcen passgenau zu nutzen. Dies soll einhergehen mit der Anpassung der entsprechenden Regulatorik, etwa für Genehmigungsverfahren sowie der Entwicklung und Finanzierung von (Transport)Infrastrukturen. Auch Maßnahmen und Förderprogramme in speziellen Anwendungsgebieten sollen entwickelt werden.

Methodiken zum Monitoring, Reporting und Verifikation (MRV) für CCU/S müssen erarbeitet werden. So muss die Anrechnung von CCU/S im EU EHS und die Bilanzierung bei Verwendung von CO2 aus verschiedenen Quellen (fossil, industrieller Kreislauf, biogen, aus der Atmosphäre) in der chemischen Industrie und bei Herstellung von synthetischen Kraftstoffen geklärt werden.

Besonders die Möglichkeit des grenzüberschreitenden CO2-Transports wird EU-weit eine große Rolle spielen. Die norwegische Regierung hat diesbezüglich schon Angebote zur Speicherung von CO2 an die EU-Industrie herangetragen. Die Auslegung der Pipeline- und Schiffskapazitäten sowie Fragen der Netzregulierung und Finanzierung auf EU-Ebene sind dabei wichtige Themen. Die Synergieeffekte von CCU/S-Clustern zwischen Industrien als Quellen und Senken von CO2 müssen eruiert werden, um bei der Planung von Infrastrukturen die effizientesten Lösungen zu finden. 

Damit mögliche CO2-Speicher auch auf deutschem Gebiet (voraussichtlich eher unter dem Meeresboden als unter dem Festland) Realität werden, muss gesellschaftliche Akzeptanz für die Abscheidung und Endlagerung von CO2 aufgebaut werden. Dies kann nur durch klare und transparente Kommunikation bezüglich der Notwendigkeit von CCU/S für ein klimaneutrales Europa und Deutschland geschehen.  

Wir halten Sie bezüglich der aktuellen Entwicklungen zur deutschen Carbon Management Strategie auf dem Laufenden. Kontaktieren Sie uns gerne bei Fragen zum Thema.